Das Licht der Sonne

KURZGESCHICHTE | Als ich gestern Abend nach Hause kam, ein Champignon-Omelette zubereitete, fiel mir ein, dass ich tagsüber ein seltsames Gefühl von Unvollkommenheit empfand, es aber keinem Ereignis oder erlebten Situation zuordnen konnte. Es hilft, zu wissen, dass ich Autor bin. Fremdautor, um genau zu sein. Ghostwriter sagt man auch. Geschichten schreiben im Auftrag anderer Menschen, deren Schreibfähigkeiten zu wünschen übrig lassen. Manchmal kommt der Auftrag von einem Verlag, weil deren Autor oder Autorin eine Schaffenskrise erleben. Es ist gutes Geld, ohne Zweifel. Und mein bevorzugter Schreibort ist der große Stadtpark gegenüber dem Gründerzeit-Mietshaus, dessen zweiten Stock ich komplett bewohne. Zwei miteinander verbundene, wunderschöne Altbauwohnungen. Hohe Decken mit Stuckarbeiten, Parkettboden aus Kastanie, offene, helle Räume, eine fantastisch große Küche mit viel hellem Birkenholz in Form von Schränken, Tischen, Stühlen. Indirektes Licht an allen Wänden, nicht solche Funzeln an banalen Deckenhaken; also wie geschaffen, um zu schreiben. Aber warum auch immer: Dort kann ich nicht schreiben.

Ich bevorzuge den Stadtpark, und darin eine kleine Laube, gebogene, verlötete alte Eisenstangen, deren ehemals weiße Lackierung im Laufe der Jahrzehnte fast komplett abgeblättert ist und ein karminroter Anstrich aus Mennige zutage tritt; wer weiß wie alt. Ich sitze zumeist auf einer dem Rund der Laube angepassten Holzbank, und auf ihr habe ich das Gefühl, als wäre sie nur für mich gemacht. Mein Notebook stelle ich gewöhnlich auf einen nicht weniger alten Eichentisch, der, eingefasst in einen metallenen Ring, noch vielen Jahrhunderten trotzen wird; und doch … gestern brachte ich keinen vernünftigen Satz zusammen. Etwas fehlte, etwas störte. Überall Unruhe um mich herum. Als ich mein Omelette fast fertig gegessen hatte, fiel es mir auf: Der Baum war weg.

Der Baum. Eine Linde. Vorletztes Jahr nahm ich spontan ein Bandmaß mit und bat einen Parkbesucher, das lose Ende auf den Baum zu drücken, während ich um die Linde herum ging und – beim losen Ende wieder angekommen – feststellte, dass der Stamm einen Umfang von vier Meter fünfunddreißig besaß. Ein beeindruckendes Lebewesen, nichts anderes ist ein solcher Baum. Er war es, der mir Ruhe und Kraft zum Schreiben gab. Derart in die Gedanken an dieses verflixte neue Projekt vertieft, einer Biographie über einen der belanglosesten Menschen der jemals auf diesem Planeten gelebt hat, so meine persönliche Meinung, habe ich einfach nicht bemerkt, dass der Baum weg war. Komplett weg. Ich bin also heute Morgen ohne Frühstück, ohne einen einzigen Tropfen Kaffee, ohne auf mein Äußeres zu achten, über die Straße in den Park gegangen, und habe mich vom spurlosen Verschwinden der Linde überzeugt.

Dieser Baum hat mich mehr beeindruckt als vieles andere, dem ich im Laufe meines Lebens zufällig begegnete. Die Krone der Linde überdeckte die Laube problemlos. Eine majestätische, gewaltige Krone, voller Schutz und Schatten für das Leben unter ihr. Funkelnde Lichtfinger zauberten helle Flecken durch die vom Wind bewegten Blätter auf die picknickenden, ruhenden, lesenden, liebenden Menschen. Der Stamm war wie eine dieser Säulen, auf der die Welt ruht. Ohne große Schnörkel gewachsene, weit ausladende Äste, trugen das voluminöse Blätterdach. Der Baum war Vater oder Mutter oder beide gleichzeitig. In einem Anfall unbedachter Euphorie fragte ich einmal einen Stadtgärtner nach dem Alter der Linde, dem ungefähren zumindest, aber der zuckte nur mit den Schultern und jagte weiter die Blätter mit einem motorbetriebenen Gebläse von den Wegen.

Wenn ein Baum verschwindet, kann das unterschiedliche Ursachen haben. Blitzeinschlag, altersbedingter Sturz, Sturmböen, des Menschen Motorsäge, alles mögliche eben. Aber in jedem Fall hinterlässt sein Verschwinden Spuren, in welcher Form auch immer. Ein abgesägter Stamm in Stücken, der Baumstumpf, aus dem bald wieder Triebe schlagen. Selbst wenn man den Stumpf eines so großen Baumes mitsamt Wurzel ausgräbt, bleibt ein enormes Loch im Boden. Heute Morgen sah weder ein Loch, noch zeigte der kurzgeschnittene Rasen Anzeichen von Grabungstätigkeiten. Fassungslos stand ich an der Stelle, die ich mit der ungefähren Mitte des Baumstammes verband und starrte auf den Boden. Nichts. Ein kleiner brauner Käfer, zwei Ameisen, ein Schmetterling drüben beim Rhododendron. Mehr nicht.

Es ist Nachmittag und die Sonne brennt auf mich und den Rest der Welt herunter. Hier sollte Schatten sein, denke ich. Jedenfalls gab es hier zehn Jahre lang Schatten. So lange wohne ich in diesem Haus und so lange verwende ich die Laube schon als mein persönliches Schreibrefugium. Mit allem, was dazu gehört. Den vielen Menschen, denen ich im Laufe der Jahre täglich begegnete, die mich inzwischen kannten, grüßten, die mein Schreiben, mein Nachdenken in dieser Laube respektierten und vielleicht wohlwollend zur Kenntnis nahmen, konnte ich die Bedeutung des fehlenden Baumes nicht erklären. Ihre Welt war noch nicht aus den Fugen geraten. Drüben, hinter den im Laubengitter rankenden Rosen, meine ich eine Bewegung zu sehen. Also gehe ich hin und entdecke einen Mann oder eine etwas männlich aussehende Frau in einem dunklen Gewand, einem fast bodenlangen Stoffsack. Leinenähnlicher Stoff. Sie oder er oder es sitzt auf meiner Bank. Und weil ich neugierig bin, nehme ich gegenüber auf der leicht lädierten Hälfte Platz, den Eichentisch zwischen uns. Es hat die Augen geschlossen, die Hände ruhen wohl auf den Oberschenkeln; ich kann sie jedenfalls nicht sehen und bin gespannt, ob er die Augen öffnet. Schließlich bin ich nicht allzu leise. Vielleicht döst oder meditiert es oder wartet darauf, angesprochen zu werden.

»Guten Tag. Stört es Sie, dass ich mich zu Ihnen gesetzt habe?« Ich blicke es erwartungsvoll an, aber entdecke nicht mal die kleinste Regung im Gesicht. Fast kommt es mir vor, als würde er gar nicht atmen. »Hallo? Geht es Ihnen gut?« Nichts. Unsicher stehe ich auf komme um den Tisch herum, lege eine Hand auf die rechte Schulter und schüttle ein wenig. »Hallo! Sie!«
Unvermittelt dreht es den Kopf und schaut auf. Ich erschrecke und weiche zurück. Aber der Blick ist derart friedlich, voller Ruhe und Erkennen, dass ich mich sofort entspanne.
»Bitte entschuldigen Sie. Ich habe mir Sorgen gemacht. Geht es Ihnen gut?«
»Aber ja«, erwidert es in sanftem Ton, der ziemlich männlich klingt, also kann es nur ein Mann sein. »Verzeihen Sie, ich war ganz in Gedanken versunken.«
»Ja, das hab ich gemerkt. Darf ich mich denn zu Ihnen setzen?«
»Natürlich. Sehr gerne.«
Ich nicke und nehme wieder meinen Platz gegenüber ein.
»Ein wundervoller, friedlicher Platz, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig«, bestätige ich. »Aber es fehlt etwas seit gestern.«
Er legt die Hände auf den Tisch, akkurat, parallel zueinander, der Winkel beider Armbeugen ist mit Sicherheit identisch. »Was fehlt denn Ihrer Meinung nach?«
»Der Baum.«

Ich beobachte ihn mit Auge des Schriftstellers. Das Wort Baum lässt ihn jedoch kalt. Würde mich jetzt jemand nach seinem Alter fragen, ich könnte es nicht beantworten. Vor allem die Hände sind so glatt, völlig alterslos. Wie kann das sein? Keine Haare auf dem Handrücken, keine Adern, ohne Pigmentflecken, keine Bräune. Androgyn fällt mir ein. Doch eine Art Es. Trotzdem er keine Regung zeigte, bin ich mir aus einem unbekannten Grund sicher, dass sein Erscheinen, seine Erscheinung, etwas mit dem Baum zu tun hat. Nur was?
»Der Baum«, wiederholt er.
»Ja, die riesige, uralte Linde. Mit einem Umfang von 435 Zentimetern. Was laut Internet auf ein Alter von 190 Jahren deutet. Plus minus keine Ahnung wie viele Jahre. Und jetzt ist er weg. Spurlos verschwunden.« Ich schweige. Fast schäme ich mich für meinen lauernden Blick.
»Dann war der Baum ihnen wichtig, wenn sie so viel über ihn wissen, nicht wahr?«
Verdutzt rutsche ich in eine etwas bequemere Sitzhaltung, drehe beide Handflächen nach oben. Die Geste vor den Worten, um so eindringlich wie möglich zu wirken. Kommt das überhaupt bei ihm an?
»Aber ja! Natürlich war der Baum wichtig. Nicht nur für mich oder die kleinen Käfer unter ihm. Er war alt, hat so viel gesehen und erlebt. Kriege, Stürme, Hoffnungslosigkeit und immer wieder Schutz suchende Menschen. Ich glaube, dass Bäume die wirklichen Herrscher dieses Planeten sind, nur beherrschen sie nicht die Macht des Tötens, wie wir. Ein Baum ist immer wichtig. Das verstehen sie doch sicher.«
»Ich versuche es. Aber ich kann Sie beruhigen. Er ist ja nicht weg, der Baum. Er ist bei Ihnen. Sie können ihn nur nicht sehen.«
»Ich kann ihn nicht sehen? Wie könnte ich einen solchen Riesen nicht sehen?«
Der Mann lächelt. Gnädig? Weise? Ich fühle mich ertappt. Bei was auch immer.
»Sie können die Atmosphäre auch nicht sehen. Und trotzdem drückt sie mit einem bestimmten Gewicht auf Sie und Ihre Welt.«
Ich seufze. »Aber das ist doch etwas völlig anderes. Von der Atmosphäre weiß ich, dass sie existiert. Ich kann sie atmen, ich höre einen Knall, wenn ich in die Hände klatsche. Sie existiert in meiner Wissens- und Erfahrungswelt. Ein materieller Brocken wie der Baum wiederum ist nicht so einfach spurlos wegzuschaffen.«
»Er ist ja auch gar nicht weg. Ich sitze Ihnen doch gegenüber.«

Ich beuge mich vor und starre ihn an. Ohne den verschwundenen Baum erhitzt sich die Laube recht schnell in der stärker werdenden Vormittagssonne. Ein unwillkommener Schweißausbruch verklebt mein Hemd mit dem Oberkörper. Und ich habe mich nicht mal geduscht, fühle mich sehr elend in diesem Augenblick. Vor allem wird mir schlagartig bewusst, dass mir ein Verrückter gegenübersitzt.
»Ts, Scheiße …«
»Scheiße?«, hakt der Verrückte nach.
»Ja.«
»Warum?«
»Warum wohl?! Der Baum ist weg! Und hier sitzt einer, der sagt mir, er wäre dieser Baum! Was soll daran nicht Scheiße sein?«
Er hebt die rechte Hand und legt sie auf meine, die schweißnass auf der Eichenplatte klebt. »Bitte, spüren sie die Ruhe.« Es ist nicht zu fassen. Als läge eine Wärmflasche auf meiner Hand, beständig Baldriandämpfe ausströmend, die ich gierig einatme. Der Gedanke, meine Hand wegzuziehen, schafft es nicht mal ansatzweise zu irgendeinem dafür zuständigen Muskel. Eine überwältigende Ruhe bemächtigt sich meiner.
»Wer sind sie?«, bringe ich mühsam über die Lippen.
»Der Baum.«

Er blinzelt kein einziges Mal, während ich den angeblichen Baum eine kleine Ewigkeit anstarre. »Es fällt ihnen schwer, dies zu glauben«, sagt er lapidar. Seine linke Hand packt meine rechte und wieder spüre ich einen Strom voller Kraft, als würde ich durch eine alte Holztür auf die Veranda hinaustreten, um von einer horizontlosen Prärie oder hügeligem Grasland empfangen zu werden. Endlose Weite um mich herum.
»Es … es fällt mir schwer«, gebe ich zu. »Der Baum ist weg. Ich weiß, dass er hier stand. Wir alle wissen das. Alle die den Park besucht haben. Warum ist er jetzt nicht mehr da? Wir brauchen ihn schließlich! Ich brauche ihn! Und wer sind Sie?«
Er lächelt. »Ich habe keinen Namen wie Sie. Aber Baum gefällt mir. Nennen sie mich doch einfach Baum. Denn ich war dieser Baum. Für etwas, das Sie 190 Jahre plus minus nennen.«
»Dann nenne ich Sie lieber Linde. Schließlich war der Baum, also … waren Sie eine Linde. Und irgendwie passt das auch eher zu Ihnen.«
Linde! Ich werde noch verrückt. Oder ich bin es schon, nahm ich insgeheim an.
»Verraten sie mir mal, Linde, wieso ich jetzt nicht verrückt geworden bin? Wieso ich das jetzt gerade glaube? Machen sie das mit ihren Hokuspokus-Händen?«
Er neigt den Kopf nach links. »Nein. Meine Hände sind es nicht. Es ist das hinter meinen Händen. Aus dem Sie und ich bestehen, der Baum besteht, Ihre Welt besteht. Alles um uns herum. Ich bin nur ein Wesen wie sie«, er zögert. »Ein wenig anders vielleicht.«

Ein wenig anders vielleicht. Wie wahr. »Sagen Sie mal, Linde, können wir nicht zu mir gehen? Ist gar nicht weit. Da könnte ich Ihnen einen Kaffee anbieten und mir einen Schnaps.«
»Ich kann diesen Ort nicht verlassen. Nicht so, wie Sie es können. Anders eben.«
»Also, wenn ich mit Ihnen reden möchte, dann müssen wir hier bleiben?«
»Ja, dann müssen wir hier bleiben.«
Ich starre auf meine Hände und nicke mit dem Kopf in deren Richtung. »Darf ich meine Hände zu mir nehmen?«
»Aber natürlich.«
Sachte entziehe ich sie ihm und sofort lässt der Strom aus Ruhe nach, aber ich spüre eindeutig ein starkes Echo in mir. »Wie machen Sie das? Was passiert da mit mir, wenn sie die Hände auf meinen haben?«
»Es ist nichts Besonderes. Hören Sie in sich hinein. Erinnern Sie sich.«
Ich sehe ihn an. Oder sie. Die Tonlage der Stimme ist höher geworden mit den letzten Sätzen, das Haar sehr kurz geschnitten, keine markanten Gesichtszüge, alles irgendwie ohne Kontur, ohne besondere Merkmale. Bis auf die dunklen Augen. Mehr als dunkel. Fast schon schwarz. Ein Schwarz ohne Glanz. Das Licht der Sonne spiegelt sich nicht darin und Pupillen gibt es offensichtlich keine. Unter anderen Umständen wäre ihre Wirkung angsteinflößend, fast gefährlich, aber auch sie verströmen Ruhe, Unendlichkeit. Mir kommt ein Gedanke, der mich im ersten Moment das Fürchten lehrt, nein, der mich ehrfürchtig werden lässt. Fühlt sich so ein Ungeborenes im dunklen Bauch seiner Mutter? Von Dunkelheit umgeben, aber durchpulst vom Schlag zweier Herzen, getragen von Wärme, sanften Stimmen aus unbekannten Quellen. Behütet bis zum ersten Schmerz, dem gleißenden Licht und der Kälte, in die man geboren wird?

»Können Sie mir erklären, wer Sie sind?«
»Und können Sie erklären, wer Sie sind?«, kommt die Gegenfrage. »Ich war der Baum. Habe euch beobachtet. Weiß, dass ihr euch Namen gebt. Wenn ihr eure Namen vergesst, wisst ihr nicht mehr, wer ihr seid. Ihr wisst nur noch, dass ihr seid. Aber was ihr noch nie wusstet, ist, warum ihr seid. Das habe ich gelernt auf eurer Welt.«
»Wissen Sie denn, warum wir sind?«
»Aber nein. Das Leben kann diese Frage nicht beantworten. Welchen Sinn kann eine solche Antwort auch haben? Keinen.« Meine Hände zittern. Warum zittern meine Hände? Der Puls klopft im Hals. Sitze ich hier etwas gegenüber, das nicht von dieser Welt kommt?
Er lächelt. Nein, sie lächelt.
»Sie sind kein Mensch. Aber was Sie sind, können Sie mir nicht sagen. Haben Sie jedenfalls eine Ahnung, woher Sie kommen?«
»Möchten sie meine Hand? Es wird sie beruhigen.«
»Nein. Vielen Dank. Ich möchte nur möglichst viel wissen.«
»Sie sind neugierig. Die meisten von euch sind sehr neugierig. Das ist eine wunderbare Eigenschaft. Neugier überwindet Grenzen.«
Ich blicke in die Augen, starre in Schwärze. Sie oder Er ist jedenfalls nicht von hier. Das fühlt sich gut an. Wir sind nicht allein. Ich wusste es, hab es gefühlt. Plötzlich laufen Tränen über meine Wangen. Ich kann es nicht aufhalten. Er oder Sie legt die Hände auf meine Unterarme und glättet die Wogen in mir. Ich werde ruhiger.
»So tiefe Gefühle. Das bewundere ich«, sagt es oder sie oder er. Ich ziehe den Naseninhalt nach oben.
»Gibt es noch andere Wesen da draußen? Wo sind Sie? Werden wir Sie jemals sehen?«
»Es ist überall. Das Leben ist überall.«
Wenn es einen Zeitpunkt gibt, um wahnsinnig zu werden, dann ist er jetzt gekommen. Vielleicht bin ich einen Zentimeter von allem Wissen entfernt und doch eine halbe Ewigkeit weg.
»Wir können von dir lernen«, sage ich und meine doch etwas ganz anderes.
»Nein. Das würdet ihr nicht. Dafür seid ihr noch viel zu ängstlich.« Es lächelt.
»Gibt es viele von deinem Volk?«
Die Schwärze in den Augen ist vollkommen. Sie hat sich doch verändert. Aus ihr entwickelt sich ein Sog, dem ich nicht widerstehen kann. Nicht die Farbe wechselt, nur die Tiefe.
»Ich bin kein Volk. Ich bin ich. Neugierig. Genau wie ihr.«

Die Sonne brennt. Keine Wolke am Himmel. Der Duft der Rosen entfaltet enorme Wucht. Es hebt die Hand. »Ich war gerne ein Baum und habe dich beobachtet, seit du das erste Mal auf dieser Bank saßt. Ich habe viel gelernt.« Ich strecke die Hand aus.
»Wo gehst du jetzt hin?«
»Ich gehe nicht. Ich reise weiter.« Er löst sich auf wie Morgennebel bei aufsteigender Sonne. Nur noch karminrote Mennige mir gegenüber. Unvermittelt muss ich weinen. Ich will nicht weinen. Nicht hier, in dieser Laube, mitten im Park, aber ich kann nicht aufhören. Bis sich eine Hand auf meine Schulter legt.
»Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?«
Eine alte Frau hält mir mit der anderen Hand ein Papiertaschentuch vor die Nase. Ich nehme es und schnäuze kräftig hinein.
»Vielen Dank. Geht schon wieder.«
Mein Blick sucht ihre Augen. Menschliche Augen. Tiefblau. Das Licht der Sonne spiegelt sich in ihnen. Ich denke an den Baum. Wo kann ich jetzt noch schreiben?

Diese Geschichte

Geschrieben im Jahr 2013. Eine dieser Ideen, die man an irgendeinem unbedeutenden Ort hat, am Spülbecken oder auf der Toilette. :)) Auch wieder eine Art Science Fiction, mehr Fiction als Science jedenfalls. Zwischendurch macht es sehr viel Spaß so Dinger rauszuhauen. Meist steckt immer etwas von meiner Lebensphilosophie drin. Freut mich, wenn sie Euch gefallen hat.

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Beste Grüße
Heiko

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