Menschen aufs Maul geschaut / 1

Hatten Sie auch schon mal das Gefühl, irgendwann innerhalb der letzten fünf oder sechs Jahre hat sich ein Paralleluniversum aufgetan? Und Sie mit hinübergezogen? Ich jedenfalls habe dieses Gefühl. Vielleicht war es ja auch so, dass dieser transuniverselle Trichter die Armeen des Herrschers ‚Ordografi des Grosen‘ zu uns entsandt hat, angeführt von den beiden Generälen ‚Kognitiv‘ und ‚Dissonanz‘. Und hier wüten sie nun. Auf allen Kanälen, in allen Medien. Auf Straßen und Plätzen. Die verbale Diarrhoe ist nicht aufzuhalten. Wie der ‚Blob‘ verteilt sie sich in unseren Ohren, Augen, Hirnen. Gnadenlos versprühen die Horden Dummheit wie Pfefferspray unter den nach Vernunft und Anstand Rufenden. Immun gegenüber Anstand, Höflichkeit, Toleranz, Respekt, Wertschätzung und Gleichbehandlung, wühlen die sich ewig Bemitleidenden wie Maulwürfe durch den Garten der Demokratie. Als Mineure, sozusagen.

Meine Sammlung der Widerwärtigkeiten

Die meisten Fundstücke habe ich übrigens von den Insidern. Einer Gruppe von Menschen, denen man nicht dankbar genug sein kann. Sucht nach ihnen auf Facebook, Twitter oder Instagram und folgt ihnen. Teilt das, was sie uns mitteilen üder die gefundenen Widerwärtigkeiten. Aber auch viele eigene Funde sind dabei. Da die Widerwärtigkeiten zeitlos sind, habe ich sie nicht nach Jahr und Ereignissen geordnet.

Durchgelesen? Geschafft?

Die Insider haben unter jedem Screenshot hinterlegt, wo sie das im Netz gefunden haben (meist geschlossene Facebook-Gruppen). Und dann fällt mir meine Mutter ein, mit der ich manchmal über diese geäußerten Widerwärtigkeiten rede. Sie kann es ebenso wenig verstehen wie ich. Bei unserer ersten Diskussion vor einigen Jahren, drehte sich ihre primäre Frage um die Erziehung dieser Menschen. Sie konnte sich in der Tat nicht vorstellen, dass man so unanständig und verbal – offensichtlich auch innerlich – so verwahrlost sein konnte. Da gäbe es heute noch eine Ohrfeige, für solche Frech- und Dummheiten. Auf den moralischen Kompass meiner Mutter kann ich mich verlassen. Was ist also schiefgegangen in puncto Erziehung, Anstand, Respekt und Wertschätzung anderer? Wird da etwas kompensiert? Und wenn ja, was? Ist es wirklich so, dass alle Hemmungen fallen, sobald man im Dunkeln, daheim und allein vor dem Rechner hockt und sich unbeobachtet fühlt? Sind diese Menschen auch so, wenn man ihnen in der Fußgängerzone begegnet? Oder sind sie dann feige?

Ist das Opfer austauschbar?

Ja, das kann man so festhalten. Ich habe nicht täglich gesammelt, aber trotz allem mehr als 200 Screenshots im Ordner. Die Menschen, denen solcher Hass entgegen gebracht wird, sind austauschbar. Hier ist es Greta Thunberg – obwohl sie nichts anderes macht, als mit einem Pappschild ihre Meinung zu äußern, auf etwas aufmerksam zu machen (und das wohlgemerkt ohne Hass und Hetze) – bin ich mir sicher, dass sogar ihre körperliche Unversehrtheit inzwischen gefährdet ist, denn diese sich gegenseitig pushenden Hassbotschaften sind in der Lage, instabile Menschen zu triggern. Harald Welzer hat es in seinem Buch Täter: Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, sehr nachvollziehbar beschrieben. Ersetzen wir einfach Massenmöder durch Täter (Beispiel Walter Lübcke oder Halle, wobei ich den Begriff ’normale Menschen‘ noch mal überdenken würde). Das ewige und ausufernde Hassgerede webt einen Rahmen, in dem sich diese Gedanken fangen und immer wieder neu gedacht werden, in der Gesellschaft nach und nach eine Akzeptanz finden und Menschen hinterm Ofen vorlockt, die lieber dort bleiben sollten.

So, in ein paar Tagen geht es weiter mit diesem Thema. Schreibt mir in den Kommentaren, aber denkt dran: keinen Hass, keine Hetze.

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