Entscheidungen

KURZGESCHICHTE | »Aber wehe, die Zwiebelwürfel sind zu grob geschnitten!«
Ich verdrehe die Augen und blicke an die Decke. Habe ich das verdient? Natürlich bin ich mit meinen 21 Jahren kein Spitzenkoch. Aber es sollte mir möglich sein, Käsespätzle einigermaßen fachgerecht zuzubereiten.
»Hast du gehört, Heinrich?!«
»Jaha! Ich hab es gehört!«
Seit drei Wochen bin ich für den Dienst hier eingeteilt. Aber selbst schuld, schließlich habe ich mich freiwillig gemeldet, vom Fahrdienst abgezogen. Dazu kommt, dass ich Einführungslehrgänge für die Schwerbehindertenbetreuung absolviert habe.
»Wann ist das Essen fertig!?«
Ich dreh noch durch, denke ich und kippe die kalten Spätzle in die Pfanne.
»Fünf Minuten!«
Walter liegt nebenan im Pflegebett. Elektrisch gesteuert, horizontale und vertikale Kippmechanismen, fernbedienbar, mit Anti-Decubitusmatratze, alles vom Feinsten. Walter hat genug Geld. »Ich hab Hunger!«, ruft er. Wie eine Fontäne steigt die Wut in mir auf und ich haue mit der Faust auf die Küchenplatte.
»Verdammt! Ist jetzt bald Ruhe?! Oder ich schmeiß die Pfanne aus dem Fenster!«
»Ja, ist ja schon gut! Du sollst nur nicht trödeln! Und dass du mir ja die Zwiebeln fein geschnitten hast …«
Ich schicke einen Stoßseufzer gen Küchendecke und streue den Käse über die Spätzle, tue den Deckel auf die Pfanne und schalte den Herd aus. Die Hitze wird reichen, um den Käse zu schmelzen. Vorher kontrolliere ich den Urinbeutel. Er ist noch fast leer.
»Ist der Beutel voll?«, fragt er.
»Nein, kaum was drin.«
»Sitzt er auch richtig?«
»Natürlich, sonst wäre schon Land unter.«
Walter dreht den Kopf hin und her. Eindeutiges Zeichen seiner Erregung, und das einzige, das ihm noch ohne Einschränkung gelingt. »Ist ja nur mein Teppich!«
»Es passt alles, Walter. Und jetzt gibt es Essen. Also beruhige Dich.«
Er nickt mit dem Kopf. »Ich hab einen Riesenhunger«, meint er und schnalzt mit der Zunge. Per Knopfdruck stelle ich das Rückenteil an und lege ihm das Tuch um den Hals.
»Sag mal«, er nickt heftig mit dem Kopf, »hast du eigentlich eine Freundin?«
»Ja, hab ich.«
»Ist die hübsch?«
»Ich hol jetzt erst mal die hübschen Spätzle. Lauf nicht weg.«
»Arschloch.«

In der Küche hebe ich den Deckel von der Pfanne und begutachte das Kochwerk. Ich muss mir ein stilles Lob aussprechen. Mit dem großen Löffel tue ich eine Portion auf den Kinderteller und gehe zurück ins Schlafzimmer.
»Lass sehen!« Er schnüffelt ausgiebig und sucht jeden Quadratmillimeter nach einer zu großen Zwiebel ab. »Genehmigt.«
»Also dann, Schnabel auf!«
Walter grinst. »Jawohl, Herr Kaleu.«
Ich beginne mit der Fütterung, und Walter analysiert mit Zähnen und Zunge jeden festen Bestandteil, sortiert ihn in eine Backenseite und prüft Größe und Geschmack. Ich enthalte mich jeglichen Kommentars. Kurz nach dem letzten Löffel, der letzten eingehenden Prüfung, präsentiert er ein zwar genügend kleines, aber dunkelbraun bis schwarz verbranntes Zwiebelwürfelchen mit seiner Zungenspitze. »Söhst dö! Vörbrönnt!«, triumphiert er mit weit aufgerissenen Augen.
»Schlucks runter, sonst gibt es morgen trocken Brot.«
Er sieht mich entsetzt an und lässt das Zwiebelchen im Mund verschwinden. »Jetzt ein Schluck Wasser.« Ich führen ihm den Strohhalm vor den Mund, er schnappt danach wie ein Fisch nach Brotkrümeln auf der Wasseroberfläche.
»Ich schalt dir mal die Glotze ein und mach in der Küche sauber. Okay?« Walter spuckt den Strohhalm aus und nickt.

Als ich fertig bin, zufrieden mit dem Zustand der Küche, schaue ich aus dem Fenster. Zwölfter Stock mit Blick auf die Stadt im Talkessel. Der Himmel ist einladend blau, wattiert mit ein paar Sommerwölkchen. Die Idee zu einem kleinen Ausflug kommt.
»Heinrich! Kaffee!«
Der Ruf des Herrn. Ich trockne die Hände am Geschirrhandtuch ab und gehe ins Schlafzimmer. »Hör mal, Walter. Anderer Vorschlag. Draußen ist so schönes Wetter, da können wir zum Seehaus tuckern mit dem E-Rolli und in der Sonne sitzen, was trinken, bisschen quatschen und gemütlich wieder zurück. Wie wär’s?«
Er mustert mich eine halbe Minute stillschweigend. Die Rädchen in seinem Kopf rattern.
»Einverstanden. Anziehen. Aber ordentlich.«
»Bei mir ist immer alles ordentlich.« Walter grinst und ich bereite alles vor.

Anziehen, Urinbeutel verstauen, E-Rolli holen, Walter reinsetzen, anschnallen, das ist ein Akt von einer Stunde. Aber nun sind wir unterwegs, durch den Kanzlerwald, und Walter steuert den E-Rolli mit nach oben gedrehter Handfläche, Steuerknüppel zwischen Ring- und Mittelfinger, den Zigarettenhalter im Mund, eine nach der anderen paffend.
»Wunderschön hier, was?«, muss ich loswerden.
»Scheiß Zigarette ist ausgegangen. Zünd noch mal an.«
»Du bist mit dem Schnellzug durch die Kinderstube, oder? ‚Bitte‘, ‚Danke‘, schon mal gehört?«
Den Zigarettenhalter links, zieht er den rechten Mundwinkel hoch, beschleunigt und fährt davon. Ich zünde mir selbst eine an und lausche den Vögeln. Ein einziges Zwitschern und Trällern um und über uns. Was für ein feiner Tag. Nach einigen Metern hole ich ihn wieder ein, denn seine Zigarette ist schließlich immer noch kalt.
»Na? Brennt die Lunte immer noch nicht?«
»Nein, Herr Kaleu. B-I-T-T-E anzünden.«
»Aber gerne.«
Ich zünde und er pafft wie wild den Rauch in sich rein.

Als wir das Seehaus erreichen, kontrolliere ich den Urinbeutel, aber alles ist in bester Ordnung. An einem der Tische beim Wasser, schiebe ich die Stühle weg, so dass er heranmanövrieren kann. Ich lege den Hauptschalter um, ziehe einen Sonnenschirm heran, und schon entdeckt uns die Bedienung.
»Was darf ich bringen?«
»Export«, meldet Walter an. Ich schüttle den Kopf.
»Kein Export. Ein Radler für ihn, bitte.« Ich hebe die Hand und zeige ihr mit Daumen und Zeigefinger das Maß für die Biermenge. »Bitte nur so viel Export, der Rest Zitronensprudel, und einen Strohhalm dazu.«
Walter begehrt auf. »Scheiße! Warum?«
Ich seufze. Der mitfühlende Blick der jungen Frau macht alles wett. »Und was möchten Sie trinken?«
»Für mich einen Apfelschorle, bitte.«
Sie nickt und zieht von dannen. Walter wackelt mit dem Kopf hin und her. »Verdammt! Ich will mich mal wieder besaufen! Das steht mir zu!«
Ich atme tief die würzige Schwarzwaldluft ein.
»Red doch nicht, Walter. Medikamente und Alkohol schließen sich gegenseitig aus. Der Doktor hat dir ein Senfglas voll Bier erlaubt, verteilt auf eine ganze Woche. Ein Teil davon jetzt im Radler. Sei doch zufrieden.«
Er schmollt und dreht den Kopf weg. Hinüber zum See, auf dem ein paar Väter mit ihren Kleinen rudern. Unsere Getränke kommen.

»Da du ja eh nicht mit mir redest, macht es dir wohl nix aus, wenn ich mal kurz zum See gehe, oder?« Walter schaut in den Himmel. »Bis gleich“, sage ich, stehe auf und gehe mit meinem Glas zum See. Es ist so still, dass man zwischendurch die Fische nach den Fliegen schnappen hört. Ein kleines Mädchen verfüttert das Brötchen zu ihrer Wurst an ein paar Enten und ich setze mich auf eine Bank, strecke die Füße lang, die Schuhe bis kurz vors Wasser und denke an nichts. Ich lasse einfach die Stille in meinen Kopf und entspanne mich in ihr. Die Sonne wärmt, der Tannenduft ist wie ein Kräuterbad und nach einiger Zeit denke ich an Walters Urinbeutel, stehe auf und strecke mich. Gut möglich, dass sein Radler schon durchgelaufen ist und der beutel geleert werden muss. Mein Blick geht zum Tisch und sofort entdecke ich ein Exportglas. Verflucht! Ich lasse Walter und den Tisch links liegen, marschiere direkt in die Gaststätte. Die Bedienung ist nicht zu sehen, nur der Wirt, dessen Umfang ihm lediglich einen Seitwärtsgang hinter der Theke ermöglicht.
»Guten Tag«, raune ich. »Haben Sie dem Rollstuhlfahrer dort draußen ein Export hingestellt?«
»Jo! Zwei Gläser Export.«
»Zwei? Hat die Bedienung das gemacht?«
»Wie? Nee, die ist hinten in der Küche und schneidet Kuchen, warum?«
»Wie hat er dann bestellt?«
»Da kam ein älteres Ehepaar rein und hat gesagt, der Mann draußen im Rollstuhl will zwei Gläser Export. Und sie haben ihm die beiden Gläser sogar rausgetragen.«
»Das war aber freundlich von denen.«
»Nicht wahr?«
»Ich zahl mal.«
Er zieht mir ab und ich marschiere wütend hinaus. Vor allem wütend auf mich selbst. Das hätte ich mir denken können. Walter starrt in den Himmel, den Kopf in unmöglicher Position. Jeder andere hätte schon stechende Schmerzen im Atlas. Er ist weggetreten und lächelt.

Zuerst kontrolliere ich den Urinbeutel. Keine Minute zu spät. Ich stelle das Ventil quer und löse den Schlauch. Weit vor mich hebend, trage ich ihn durch die Gaststätte in die Toilette und entleere ihn. Der Gestank treibt mich zur Eile. Nichts wie raus. »War das etwa mein Export?«, ruft der Wirt und lacht.
»Jup.«
Ich höre ihn noch lachen, als ich den Beutel längst wieder angeschlossen habe. Walter bestaunt noch immer das Blau des Himmels. Da er unfähig ist, den Rollstuhl zu steuern, aktiviere ich ihn, stelle mich an die rechte Seite und so fahren wir Richtung Heimat. Die ersten paar hundert Meter steigt der Weg durch den Wald leicht an.
»Urgh«, sagt Walter und wackelt mit dem Kopf. Licht und Schatten wechseln sich ab, während wir unter den Tannen dahinzuckeln. Wir werden es schon nach Hause schaffen. Zeit für eine Zigarette. Mit einer Hand fische ich eine Lucky aus der Schachtel, stecke sie in den Mund und zünde sie an.
»Urghorch«, sagt Walter, zuckt mit der rechten Hand, rutscht über den Fahrthebel und drückt ihn dabei nach vorne. Die Beschleunigung eines Elektromotors ist immer linear. Bis zu einem unterbrechenden Moment. In diesem Fall ist es der Graben, in den Walter steuert. Er fährt seitlich immer tiefer hinein, die Antriebsräder drehen durch, dann kippt er in Zeitlupe nach rechts zwischen eine Ansammlung junger Brennnesseln. Das Herz rutscht mir in die Hose und ich springe hinterher. Doch alles ist zum Glück in Ordnung. Sogar der Urinbeutel noch heil. Walter liegt einfach nur samt Rollstuhl 45 Grad auf der Seite. Allerdings ist das Problem nun, einen 120 Kilogramm schweren Elektro-Rollstuhl wieder aus dem Graben zu bekommen. Mit Walter drin.
»Heinrich?«, sagt Walter. »Was ist los? Wo bin ich?« Warum kann er wieder reden? Hat ihn der Schock nüchtern werden lassen?
»In Walhalla. Ich hol mal eben die Mädels. Lauf nicht weg.«
»Ist gut.«

So schnell ich kann, renne ich zum Seehaus und erkläre dem Wirt die Situation. Ein Wunder, dass er während seines dauerhaften Lachanfalls dem Förster überhaupt etwas am Telefon zu erklären in der Lage ist. Ich renne wieder zurück. Walter und der Rollstuhl liegen in gewohnter Position im Graben.
»Walter? Alles klar?«
»Jawohl, Herr Kaleu.«
Er versucht den Kopf zu drehen. »Wo bin ich?«
»Den Rollstuhlführerschein kannst du vergessen. Mit 1,8 Promille in den Graben gefahren.«
»Aber warum? Hast du mich da reingefahren?«
Ich schüttle den Kopf und seufze ausgiebig. Von der Seehausstraße sehe ich einen grünen Jeep kommen. Sicher der Förster. Er rast auf uns zu und bremst kurz vorher energisch ab. Drei Türen werden geöffnet und aus dem Auto steigen ebenso viele Waldarbeiter. Oberarme wie Baumstämme. Sie sehen sich kurz an.
»Wer ist da gekommen, Heinrich?«
»Die Germanen. Mach dir keinen Kopf. Geht es dir gut? Kopfweh?«
»Alles in Ordnung, Herr Kaleu.«
»Tag!«, brüllt ein Schwergewicht. »Hier soll ein Rollstuhl in den Graben gefahren sein …«
Das Ende vom Satz geht im homerischen Lachen aller unter. Er haut mit einer Pranke auf die Motorhaube des Jeeps, so dass ich im Sonnenlicht schön die Verformung des Blechs sehen kann. Dann, wie auf einen unhörbaren Befehl, verstummen sie und kommen in den Graben. »So! Geh mal weg, Junge!«
Ich mache Platz.
»Ihr zwei hinten, ich vorne. Geht’s dem Opa gut?«
»Dem Opa geht’s gut«, sagt Walter.
»Also, auf DREI! Eins … zwei … DREI!« Sie heben den Rollstuhl aus dem Graben und stellen ihn auf dem Weg ab. Superman, Batman und der Hulk räuspern sich. Ich bin heilfroh und Walter wackelt ordentlich mit dem Kopf. Schnell zücke ich die Zigaretten und biete jedem der Gewichtheber eine an. Sie greifen zu.
»Vielen Dank. Auch in Walters Namen.«
»Wie ist er denn überhaupt in den Graben gekommen, Junge?«
»Bisschen viel getrunken, und zack«, ich vollführe eine entsprechende Bewegung mit der Hand.
»Wenn ich das meiner Frau erzähle heute Abend …«, meint einer.
»Kommt, wir müssen wieder zur Arbeit«, sagt der Fahrer. Sie verabschieden sich und fahren ebenso schnell wieder davon. Ich stelle mich vor Walter und sehe ihn ernst an.
»Das wird dir hoffentlich eine Lehre gewesen sein. Beim nächsten Mal lass ich dich liegen.«
»Jawohl, Herr Kaleu.« Unschuldig starrt er in die Tannenwipfel.
»Ich fahre, du hältst die Hände ruhig.«
»Jawohl, Herr Kaleu.«
Weiter geht es Richtung sicheren Hafen.

Als wir das Hochhaus erreichen, ist Walter schon wieder klar im Kopf. Ich öffne die Haustür und lasse ihn selbst fahren. Meine Sorge gilt dem Urinbeutel. Ich drücke den Fahrstuhlknopf und hole den Schlüssel aus meiner Hosentasche. Mit einem Glockenton schieben sich die beiden Schiebetürhälften auseinander. Jetzt die Türmechanik deaktivieren und die hintere Absperrung aufschließen, die extra für größere Transporte zur Verfügung steht. Walter rollt rückwärts rein.
»Fahr mir nicht über den Fuß.«
»Ich bin noch nie jemandem über den Fuß gefahren.« Er sah mich an. »Haben wir noch Spätzle übrig?« Ich entriegle und drücke die Zwölf.
»Klar. Ich habe die ganze Packung gemacht.«
»Und Fleisch?«
»Ich klopf ein Schnitzel und mach Cordon bleu. Einverstanden?« Seine Augen leuchten.
»Und wie ich einverstanden bin. Aber lass nichts anbrennen.«
Mit Daumen und Zeigefinger halte ich den Nasenrücken und schließe die Augen. Wie hieß noch die Sendung aus den Siebzigern? Unser Walter? Mit dem nächsten Glockenton erreichen wir den zwölften Stock. Als die beiden Türhälften sich öffnen, bekommt Walter einen epileptischen Anfall. Die rechte Hand krallt sich um den Joystick, der Arm wird zu einem Brett. Mit maximaler Beschleunigung rollt er aus dem Fahrstuhl, über meinen linken Fuß. Das Hochhaus ist sternförmig gebaut, der Flur ein großes Achteck. Walter krächzt und rammt die Fußablagen in die gegenüberliegende Holztür des Nachbarn. Sie knirscht und gibt einige Zentimeter nach. Walter hebt es fast aus dem Sitz.
»Scheiße«, flüstere ich. Die Fahrstuhltür schließt. Fix haue ich die Faust auf den Öffnen-Schalter, da rumpelt Walter rückwärts gegen den Blumenkübel der Birkenfeige und zertrümmer ihn. Zwei der anderen Wohnungstüren gehen zaghaft auf, entsetzte, überraschte Gesichter. Ich muss an den Hauptschalter des E-Rollis kommen! Egal wie! Walter krampft und krampft. Ich spurte aus dem Fahrstuhl, dem Rollstuhl hinterher. Die Nachbarn schlagen die Türen zu und der alte Lehrer von nebenan, dessen Tür Walter lädiert hat, öffnet, was von ihr übrig ist. »Gehen sie wieder rein!«, rufe ich ihm zu.
Um Haaresbreite verfehle ich den Hauptschalter, weil Walter in eine scharfe Linkskurve steuer. Kurzzeitig fährt er auf zwei Rädern, fängt sich wieder und rast auf die doppelflügelige Glastür zu. »Oh nein!« Mit einem Sprung aus dem Lauf hechte ich nach vorne und erreiche das Kontrollmodul, reiße am Schalter und der Elektromotor steht still, das Gefährt rollt aus. Walter hängt wie eine Gummipuppe im Gurtsystem. Der Lehrer tritt auf den Flur und räuspert sich. Ärger kommt auf uns zu. Zunächst jedoch rapple ich mich auf und lasse meinen Blick durch den Flur kreisen. Nur noch heute Nacht, denke ich, morgen früh um sechs kommt die Ablösung. Nur noch eine Nacht …

Walter ist ungewöhnlich still. Lehrer und Hausmeister haben von mir die Nummer des Versicherungsscheins und ich habe umgehend mit der Haftpflicht telefoniert. Sie haben mich gebeten, den Vorgang zu protokollieren, was ich gerade tue. Den Alkohol lasse ich weg, dann klopfe ich das Fleisch und belege es mit Schinken und Käse. Der Fernseher plärrt im Schlafzimmer und ohne irgendeine Unterbrechung bezüglich Anbrennen oder zu großer Zwiebelwürfel, koche ich fertig und stelle den Kinderteller auf den Nachttischschrank. Walter schläft. Ich muss ihn wecken, denn die Einnahme seiner Medikamente duldet keinen Aufschub, keine Verzögerung. Vorsichtig klopfe ich auf seine Stirn.
»Walter! Aufwachen! Essen ist fertig.« Nichts. Ich schneide das Fleisch klein und rufe andauernd seinen Namen. Nach einigen Minuten schlägt er die Augen auf.
»Oh, Herr Kaleu … hab ich geschlafen?«
»Fast wie tot.« Kein Widerworte. Sehr ungewöhnlich. »Komm, das Cordon bleu schmeckt erstklassig. Panade vom Feinsten, knusprig braun.«
Ich pikse ein Stück auf die Gabel und stecke es in seinen Mund. Walter kaut vorsichtig, bearbeitet es von allen Seiten, aber keine Reaktion.
»Schmeckt es nicht?«
»Doch, doch, ganz ordentlich. Fast wie das von meiner Frau …«
»Ganz ordentlich?« Dann fällt mir das Wort ‚Frau‘ auf. Selten, dass er sie erwähnt. »Deine Frau? Erzähl mal von ihr«, fordere ich ihn auf und gebe ihm ein zweites Stück. Bevor er die Medikamente einnimmt, brauch er etwas im Magen.
»Muss das sein?«
»Nein, natürlich nicht. Steht dir vollkommen frei, von ihr zu erzählen. Aber schließlich hast du mich ja auch nach meiner Freundin gefragt, nicht wahr?«
Das dritte Stück landet in seinem Mund. Er kaut einfach nur, ohne es mit Zunge und Zähnen zu obduzieren. Seit ich hier meinen Dienst verrichte, habe ich noch keinen solch nachdenklichen Moment an ihm erlebt.

»Hab ich dir schon mal erzählt, was ich früher gemacht habe?«
Der Richtungswechsel ist abrupt, aber vielleicht der Einstieg zu seinem Leben. Keiner von uns Jungspunden macht sich großartig Gedanken, was hinter all diesen Schicksalen steckt. Wir tun unseren Dienst gewissenhaft und sehr gut, aber vom Leben der Menschen wissen wir meist wenig.
»Nein. Ich glaube nicht.«
»Ich war Hausmeister.«
»Hausmeister?«
»Bitte ein paar Spätzle zum Fleisch.« Eine Gabel Spätzle mit Fleisch. Walter kaut schnell. »Ja, Hausmeister. Nicht so Studierte wie ihr.«
»Ich bin kein Studierter. Ich bin Landwirt.«
Er hört auf zu kauen und schaut mich erstaunt an.
»Also Hausmeister …«, animiere ich ihn fortzufahren.
»Ja, für die Stadt. Ich habe Vereinsheime kontrolliert. Kannst du dich noch an den Tornado erinnern?«
»Dunkel. Da war ich fünf.«
»Da gab es einen Alarm. Kontrolle aller Fenster und Rollläden in Gebäuden, nachts um elf. Ich mit dem Auto die Runde gemacht. Draußen im Industriegebiet hat es mich dann erwischt. Das Dach kam runter und ein Balken hat mein Rückgrat zertrümmert. Meine Frau hat mich vor ein paar Jahren verlassen. War ihr einfach zu viel.«
Er schweigt und ich fülle seinen Mund.
»Aber kochen konnte sie. Meine Herren, da war alles dran. Die feinsten Sachen …«
Im Licht der Abenddämmerung entdecke ich einen feuchten Schimmer in seinen Augen. »Ist so schönes Abendrot draußen. Ich lass mal das Licht aus, oder?« Er nickt und kaut das Cordon bleu.
Als er satt ist, kontrollierte ich den Urinbeutel, gebe die Medikamente und versorge die wundgefährdeten Stellen mit den diversen Salben und Cremes, wasch die Füßen, lege ihm eine frische Windel unter, dann lasse ich ihn in Ruhe, denn er macht einen müden Eindruck. Vermutlich der Stress heute. Also mache ich in der Küche klar Schiff.
Gegen acht Uhr stehe ich am offenen Küchenfenster, blicke auf die Stadt, rauche eine Zigarette und denke über Walter nach. Im Graben hätte ihm sehr viel mehr passieren können, und so wie vom Arzt und in den Unterlagen beschrieben, löst Alkohol einen mehr oder weniger schweren epileptischen Anfall aus. Die Zusammenhänge sind mir unklar, aber ich ahne, dass wir Glück hatten. Er und ich. Dann blase ich die letzte Rauchfahne aus dem Fenster und mir kommt der Gedanke, dass er sich vielleicht gar kein Glück mehr wünscht? Das Gegenteil ist ebenso möglich. Ein letzter Blick auf die Stadt, dann schließe ich das Fenster und setze mich zu Walter ins Schlafzimmer. Er schläft. Zeit ein Buch zu lesen.

»Warum Landwirt?«
»Was?« Ich bin so vertieft in Hemingways ‚In einem anderen Land‘, dass ich nicht verstehe, was er gesagt hat
»Warum Landwirt?«
Ich sehe auf den Wecker. Kurz vor elf.
»Ich musste weg von zu Hause. Sonst wären mein Vater und ich uns an die Gurgel. Weit weg. Also hab ich mir einen Hof inmitten von Nichts gesucht und meine Lehre begonnen. Das war der einfachste Weg.«
»Wie alt warst du da?«
»Grade achtzehn geworden. Vor drei Jahren.«
»Und? Hat es Dir gefallen?«
Ich atme tief ein. »Es waren die zähesten und längsten Jahre meines bisherigen Lebens. Zwölf, dreizehn Stunden täglich, in der Erntezeit durcharbeiten, kaum Schlaf, niemanden Gleichgesinntes um sich. Und als Stadtkind eine extreme Umgewöhnung.«
»Aber du hast es durchgezogen?«
»Bis zum Ende. Als Zweitbester bin ich aus der Prüfung für Nordbaden. Ich vermisse es. Eine einsame Arbeit, aber genau richtig für mich.«
»Das ist gut«, nickt er, »das ist gut. Dann bist du ein wenig abgehärtet, nicht wahr?«
»Abgehärtet?«
»Na, die Knochenarbeit, die Tiere …. hattet ihr Tiere?«
»Ja, ziemlich viele.«
»Habt ihr selbst geschlachtet?«
»Einmal im Monat, ja.«
»Du kennst also den Tod.«
»Was Tiere betrifft, zur Genüge.«
Er nickt. »Krieg ich eine Zigarette?«
»Eine Lucky? Oder eine von deinen komischen Reemtsma?«
»Gib mir mal eine von deinen.«
Ich stecke die Lucky Strike an, klemme sie in den Zigarettenhalter und diesen in Walters Mund.
»Du musst mir noch ein Medikament geben. Das brauche ich nach so einem Anfall.«
»Was für ein Medikament?«
»Schau mal im Kühlschrank. Da muss im Eierfach so eine rote Verpackung liegen. Hol die mal. Und einen Zuckerwürfel und einen Löffel.«
»Ist gut. Ich guck mal.«
Tatsächlich entdecke ich die rote Schachtel. Sie ist mir bisher eher beiläufig aufgefallen neben all dem anderen medizinischen Kram in der Kühlschranktür. Ich nehme das Schächtelchen heraus, einen Esslöffel aus der Schublade und die Zuckerwürfelbox vom Tisch, dann gesellte ich mich wieder zu Walter. Der pafft seine Lucky Strike.
»Gar nicht mal so schlecht, das Kraut.«
»Besser als Reemtsma allemal.«
»Du musst mir zwanzig Tropfen auf einen Zuckerwürfel geben.«
Ich drehe die Schachtel auf alle Seiten, sie ist ohne Aufdruck. Keine Dosierung, kein Hersteller, nur eine rote Schachtel. Drin ein handelsübliches, lichtabweisendes, dunkelbraunes Fläschchen mit einer Flüssigkeit drin, noch zu zwei Dritteln voll.
»Was ist das?«
»Das hilft mir, wenn ich epileptische Anfälle hatte.«
»Aha. Aber er ist doch schon lange wieder vorbei. Und das nächste Mal pass ich besser auf. Da gibt es kein Export mehr.«
»Nun mach schon. Ich will noch abführen und dann schlafen.«
Also hole ich einen Zuckerwürfel aus der Box, lege ihn auf den Löffel und öffne den Verschluss. Ich zähle zwanzig Tropfen. Ein Duft steigt in meine Nase. Erinnert mich ein wenig an Marzipan. Ich will dran schnüffeln, halte das Zeug vor meine Nase.
»NICHT!«
Der Schreck fährt in meine Glieder. Langsam senke ich den Löffel. Jetzt ist da so was wie Alkohol in der Luft. »Was ist das für ein Zeug?«
Walter steigen dicke Tränen in die Augen. Schwer und schnell rollen sie seine Schläfe hinab. Ich runzle die Stirn, starre auf das in meiner Hand, rieche noch einmal dran. Eindeutig bitter. Ohne was zu sagen, stehe ich auf, gehe in die Küche und schmeiß den Mist in den Mülleimer. Es schüttelt mich, läuft kalt den Rücken hinunter. Ich will mich waschen, tu es auch. Hände lieber dreimal, das Gesicht.
»Schmeiß das nicht weg! Hörst du!?« Ich ignoriere Walter. »Heinrich! Bitte!«
»Sei still!«
Er fängt an zu schluchzen, zu wimmern, wie ein altes Klageweib.
»Heinrich …«
Ich schweige, zünde mir eine Zigarette an, öffne das Fenster. Die Stadt ist immer noch da. Irgendwo da unten ist meine Freundin. Beinahe, denke ich, beinahe …
Nach ein paar Zügen werde ich wütend, schnippe die Kippe hinaus und gehe zu Walter, der mit roten Augen und nass geheultem Kopfkissen wie ein Häufchen Elend in diesem großen Bett liegt. Den Zigarettenhalter hat er auf den Boden gespuckt. Ich hebe ihn auf und setze mich.
»Was ist das für Zeug, Walter?«
»Hab ich schon lange. Hat mir vor langer Zeit ein Arzt gegeben. Er sagte: Zwanzig Tropfen genügen. Wenn Sie es nicht mehr aushalten …«
Ich glaube, ich nicke. Abwesend. Mit den Gedanken woanders, mitten zwischen all den möglichen Morgen, wenn es geklappt hätte. »Vor langer Zeit. Aha. Was macht dich so sicher, dass es überhaupt noch seine chemische Funktion erfüllt? Chemische Verbindungen zerfallen mit der Zeit.«
Er geht nicht drauf ein. Mit dem Waschlumpen wische ich sein Gesicht ab. Das Salz der Tränen kann seiner eh schon wenig durchbluteten Haut ziemlich schaden.
»Ich will nicht mehr, Heinrich. Du kannst das. Du weißt, um was es geht.«
Ich sehe ihn erstaunt an.
»So? Um was geht es denn? Du krepierst, ich komm in den Knast?«
»Du bist noch jung. Beihilfe zum Sterben. Du sagst, du dachtest, es wäre Medizin. Du kommst noch nicht mal in den Knast. Bestimmt nicht …«
Ich explodiere. Raste aus. Der Stuhl kippt um. Wie von Sinnen ramme ich die Faust in Walters Schranktür und schlage ein Loch hinein. Der Schmerz machte mich noch rasender. »Und mein Gewissen!? Du Idiot! Egoist! Dass mein Gewissen bis an mein Lebensende dann in seinem eigenen Knast steckt, daran denkst du nicht, was!?« Ich haste ins Wohnzimmer, auf die große Terrasse, mit dem gemauerten Grill. Von hier oben ist die Welt so leicht.
»Heinrich! Bitte!«
Wütend renne ich wieder rein und schlage die Schlafzimmertür zu. Aber das nutzt nichts. Er ruft nur umso lauter. Also wieder in die Nacht. Eine Zigarette auf der Terrasse klärt meine Gedanken etwas auf. Noch bis morgen früh, dann eine ganze Woche frei. Ich höre ihn rufen. Er gibt einfach nicht auf mit dem Geschrei. Mit dem Leben schon. Was soll ich tun? Die Polizei rufen? Die wird nur gelangweilt wieder abziehen. Den Notarzt rufen, der dann eine Einweisung nach Hirsau ausstellt, wo sie ihn aber nicht aufnehmen, weil die Klinik nicht für Querschnittsgelähmte ausgerüstet ist. Also bleibt nicht viel. Der Pfarrer? Ich verwerfe den Gedanken gleich wieder. Walter schreit, und das sägt an meinen Nerven. Ich hole tief Luft. Also auf ein Neues.

Ins Schlafzimmer stürmen, an die Stirnseite seines Bettes. Einige Male schlage ich auf das Gestänge. »Ruhe jetzt! Sei verdammt noch mal ruhig! Es ist Mitternacht durch, die Nachbarn wollen schlafen! Wir hatten schon genug Ärger heute!«
Er zieht den Rotz hoch, wackelt mit dem Kopf. Verfluchter Mist! Aus der Tempobox nehme ich ein Taschentuch und halte es ihm unter die Nase. Er schnäuzt hinein. Immerhin ist er still.
»Weißt du, wie viele Jahre ich schon liege?«
»Ich habe die Anamnese gelesen.«
»Und?«
»Was und?«
»Wolltest du hier liegen? Jahr für Jahr? Fünfzehn Jahre sind es jetzt! Ich bin jetzt 65. Darf ich nicht sterben, wann ich es möchte?«
»Nicht bei mir.«
Er wird zornig. »Warum nicht? Bist du der Herrscher über mein Leben?«
»Ich bin dein Zivi. Für dich verantwortlich. Für dein Leben. Nicht für deinen Tod.«
»Aber ich kann nichts mehr selbst erledigen! Ich kann mich nicht selbst umbringen!«
»Und wir dürfen dich nicht umbringen! Wir leben zusammen hier dein Leben! Kapierst du das? Wir geben uns Mühe und reißen uns den Arsch auf, damit es dir so gut geht wie möglich. Tag und Nacht lassen wir uns von dir beschimpfen, wegen zu großer Zwiebeln oder vollem Urinbeutel oder zu kaltem Wasser! Wir tun das, weil wir es gerne tun. Weil wir es wollen! Wir lachen mit dir und leiden mit dir! Wir haben nicht das Recht, dein Leben zu beenden!«
Ich muss hin und her laufen, auf und ab, ans Fenster, zum Schrank, betrachte das Loch in der Tür und meine zerschundene Hand.
»Bitte! Heinrich! Ich kann nicht mehr …« Erneut Tränen. Der Rotz läuft über seinen Mund, er blubbert Luftbläschen.
»Verfluchte Scheiße!« Ich stapfe in die Küche, hole zwei Esslöffel, komme zurück. »So!«
»Was hast Du vor?«
Zu allem entschlossen lege ich auf beide je zwei Zuckerwürfel und tropfe jeweils 30 Tropfen von dem Zeug drauf. »Du willst doch sterben, oder?«
»Ja, aber …«
»Sei ruhig!«
Ich stelle das Rückenteil steil und setze mich vor ihn, halte einen der Löffel vor seinen Mund. »So! Mund auf. Gute Reise, Walter!« Sogleich reißt er die Kiefer auseinander. Meine Hand mit dem zweiten Löffel führe ich an meinen Mund, öffne ihn.
»Stirbst du, sterbe ich«, sind meine Worte. Mein Herzschlag ist ein Trommelwirbel vor der Hinrichtung. Walters Löffel lasse ich zu einem Drittel in seinem Mund verschwinden, meinen ebenfalls. Einfach zuschnappen müsste er. Und ich. Ein wenig nach vorne beugen, die Lippen sanft um den Zucker schließen, mit Spucke auflösen, schlucken und warten. Auf die kalte Hand aus tiefer Dunkelheit. Walter starrt mit weit aufgerissenen Augen an die Wand, sein Kopf zittert.
»Mh! Mh!«, kommt es aus seinem Rachen. Ich ziehe beide Löffel zurück.
»Was ist? Feige?«
»Ich will doch gar nicht sterben! Ich will nicht sterben! Oh Gott …«
Vorsichtig drehe ich die Löffel weg, werfe sie in den Eimer für den Spritzenabfall und schließe die Augen. Alle Geräusche dieser Welt kann ich in diesem Moment hören. Alle. Jedes Atmen eines jeden Menschen. Jede Angst riechen. Jede Hoffnung sterben sehen. Ich nehme Walters Hand, kühl wie sie ist, lege sie in meinen Schoss. Bald darauf ist er eingeschlafen und ich decke ihn zu. Eine halbe Stunde danach schmeiße ich alles samt roter Schachtel und Flasche in den Müll, fahre mit dem Fahrstuhl in den Keller und befördere den Mist in den Müllcontainer.

Um kurz nach sechs Uhr öffnet Volker die Wohnungstür, findet uns im Schlafzimmer, zieht seine Jacke aus, macht einen Kaffee und kommt mit zwei Bechern Wärme zurück. Ich gähne.
»Danke, Volker. Biste wach?«
»Ich war schon laufen heute Morgen.«
»Ich bin froh, dich zu sehen.«
»War es schlimm?«
»Geht. Nix Besonderes. Das Übliche halt, weißt ja, kleine Zwiebeln und so Kram.«
Er grinst und ich trinke den Kaffee leer. »Handschuhe gehen aus, die fette Wundsalbe ist auch fast leer. Außerdem brauchen wir wieder Windeln.«
»Okay. Ich mach einen Zettel für die Schwester.«
»Und ich geh jetzt.«
»Ist gut, Heinrich. Was machst du in der freien Woche?«
»Zwei Tage saufen. Dann mal sehen.« Volker lacht hinter vorgehaltener Hand. »Volker?«
»Ja?«
»Pass auf ihn auf.«
Er nickt. »Natürlich. So wie immer.«

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Entstanden im Jahr 2017. Sie beschreibt eine Situation im Zivildienst. Ein Dienst, den es heute nicht mehr gibt. Als er im Zuge der Aussetzung der Wehrpflicht (ist ja nicht abgeschafft) ebenfalls ausgesetzt wurde, empfand ich das als sehr negativ. Natürlich war er ebenso ein Zwang wie die Wehrpflicht. Ob das zeitgemäß ist oder war, darüber wird ja in Zeiten zunehmender Kriege wieder diskutiert. Tatsache ist aber, dass uns jungen Menschen dieser Dienst in der Hauptsache gut getan hat. Natürlich gab es ‚lockere Dienststellen‘, etwa Hausmeister in einer Jugendherberge. Im Gegensatz zu einem Alten-/Pflegeheim, wo der Dienst einem viel abverlangt hat. Warum finde ich es schade, dass es den Zivieldienst nicht mehr gibt? Meine Beobachtung an mir und den vielen Kollegen damals: wir haben Verantwortung gelernt, ein soziales Miteinander, wir mussten uns unserer eigenen Persönlichkeit stellen und die Hörner abstoßen. Das war trotz aller Zwangsumstände wie Musterung, Verweigerung etc. am Ende etwas sehr Positives. Der Zivildienst hat viele von uns erwachsener gemacht, uns die wirklichen Probleme von Menschengruppen mit Einschränkungen aufgezeigt. Dadurch lernt man, was einen Staat in seinem Innersten ausmacht. Und das ist kein Neoliberalismus. Es ist das fürsorgende Zusammenleben mit allen. Natürlich sind alle Personen rein fiktiv. Namen, Orte, alles frei erfunden.

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