Teile und herrsche!

Oder: Zerteile und herrsche! Oder: Spalte und herrsche! Die Werkzeuge, um eines oder mehrere Ziele zu erreichen, sind so alt wie das Erwachen des menschlichen Bewusstseins. Die Motive bzw. die Motivation dahinter ebenso. Die Basis der Bedürfnisse (Nahrung, Schlaf, Dach über dem Kopf) und dann aufsteigend (Sicherheit) zum Schutz der Gruppe, zur Selbstverwirklichung, bis hin zur Selbstüberhöhung, die vollkommene Macht, der vollkommene Genuss von annäherndem Gottsein. Die letzten Stufen finden sich überall in den Auswüchsen von Gruppen oder Gesellschaften. Das goldene Lamm, Imperator auf Lebenszeit, König von Gottes Gnaden, die Partei hat immer recht und Recht (China), aber auch in den Ideologien wie dem Kapitalismus, der mit Milliardenwetten auf ein materielles Nichts auf der Verliererseite Leben, Kulturen, funktionierende Umwelt und stabile Gesellschaften auslöscht.

Erstrebenswerte Demokratie

Wenn eine gesunde und in sich ruhende Demokratie (auf dem Maslowschen Level der Gemeinschaft) sich dem Wohlergehen dieser Gruppe mit Staat, Gesetz, Bildung und Chancen widmet – und in diesem Level Einzelnen durchaus das Streben nach Selbstverwirklichung oder einem erweiterten Ich-Verständnis ermöglicht und auch erlaubt – müssen Ideologien und/oder Menschen, die mehr wollen, mehr Macht, mehr Kapital, mehr Beifall, mehr Huldigung, mehr ICH, diese Gruppe und deren Regeln zwangsweise verlassen und eigene Regeln formulieren, eigene Systeme kreieren. In funktionierenden Demokratien ist nur bedingt Platz für narzisstische Exzesse (im Neoliberalismus wird das mit menschenverachtender Ironie ‚Einschränkung der Freiheit‘ oder ‚Staatsknebelung‘ genannt, ist aber nichts anderes als das Einhegen von die Solidargemeinschaft zerstörenden Prozessen und meint nur die nicht zu akzeptierende Einschränkung der eigenen, überhöhten Freiheit).

Seit eh und je

Nach 5.000 Jahren Auf und Ab von Einhegen und egozentrischem Wildwuchs, haben es die nicht in der Solidargemeinschaft leben Wollenden nun endgültig satt, dieses Auf und Ab immerzu mitzumachen. Es muss und soll jetzt ein für allemal Schluss sein mit Solidarität, Demokratie, dem Wohl aller, der Gleichheit aller (auch wenn Demokratie erst ein paar wenige Schritte auf dem prosperierenden Weg getan hat). Demokratie kann ein absolutes Erfolgsmodell für nahezu alle Menschen sein, wenn sie fortwährend entwickelt und verbessert wird, aus ihren Erfahrungen lernt und sich den ständigen Störversuchen widersetzen kann. Dem gegenüber steht der Neoliberalismus mit seinen imperialen, egozentrischen, nihilistischen, entwürdigenden und rassistischen Auswüchsen, der über das eigene Wohl, das Wohl derer fördert, denen es schon jetzt sehr gut geht. Und nun die Gretchenfrage: Wie kann der Neoliberalismus ewig werden? Oder besser: Endlich Imperator auf Lebenszeit sein?

Brüder im Geiste

Die Neoliberalen haben inzwischen alle ihren Machiavelli gelesen – und erweitert. Vor allem aber hatten und haben sie in ihren Reihen sehr intelligente Köpfe (Hayek, Friedmann) – und sie haben gelernt. Ironischerweise von der Entwicklung der Demokratie (dass eine Gruppe besonders effektiv sein kann). Die Neoliberalen arbeiten zusammen. Ihre ewigen Konkurrenzkämpfe haben sie beigelegt, indem sie ihre Ziele auf Thinktanks, Institute und Vereine aufgeteilt haben. Im Dornröschenschlaf der Demokratinnen und Demokraten, haben die Neoliberalen die internationale Zusammenarbeit entdeckt und nahezu perfektioniert. Dazu haben sie den allen gemeinsamen Nenner als oberstes Ziel der Dekonstruktion erhoben: Die funktionierende Solidargemeinschaft ist der erklärte Feind. Ob das nun eine nach aktuellem Stand funktionierende Demokratie ist oder eine sich neu bildende Gemeinschaft wie die EU, ein Staatenzusammenschluss wie die USA, mögliche Demokratiekandidaten in Südamerika (Chile, Bolivien), stabile Staaten, die sich langsam zu Demokratien entwickeln in Südostasien (Taiwan) – oder auf dem Papier existierende wie Mexiko, wo Kartelle und Politik dieselben neoliberalen Ziele und Prinzipien verfolgen, wie Private Equity-Manager bei der Zerschlagung gesunder Wirtschaftssysteme. Der größte und gefährlichste Gegner des Neoliberalismus ist die Solidargemeinschaft, die alle Menschen umschließt, ob nun arm oder weniger arm, ob beeinträchtigt oder gesund, ob intelligent oder dumm, ob naiv oder weltmännisch, ob gesund oder krank. Diese Solidargemeinschaften benötigen viel Geld, um sich zu erhalten. Geld, das von Teilen der Solidargemeinschaft erwirtschaftet wird und allen zugute kommt (Infrastruktur, Energie, Wasser, Bildung, Wissen, Chancen). Dieses Geld fehlt dem Neoliberalismus im egozentrischen Geldbeutel.

Divide et impera

Wie können diese Solidargemeinschaften (Staaten, Staatenverbund, Gesellschaften, NGOs, Bürgerinitiativen) zerstört werden? Und die sehr einfache Antwort ist: Teile und herrsche. Das gegeneinander Ausspielen dieser einzelnen Teile einer Solidargemeinschaft durch säen von Zwietracht. Je schwächer diese teile werden, je unglaubwürdiger, je zweifelhafter ihr Standing in den Augen der restlichen Solidargemeinschaft, desto breiter wird der Spalt zwischen den Teilen, und in diesen Spalt fließen die neoliberalen Lavaströme, erkalten und erstarren. Gehe in die Wüste und sage einem von zwei Brüdern, dass der andere Bruder Wasser hortet (obwohl er es nicht tut). Sage den steuerzahlenden Menschen, es gäbe hunderttausend Schmarotzer, die mit dem Bürgergeld nur auf ihre Kosten leben und nichts tun, um eine Arbeit anzunehmen. Sage den US-Amerikanern, die Hispanos kämen, um ihnen die Arbeit wegzunehmen, und das auch noch illegal. So einfach, so wirksam. Sage den Chilenen, der Sozialismus nimmt ihnen alles und eine von der Mehrheit ausgearbeitete Verfassung fällt bei der Wahl durch. Sage den Argentiniern, alles Schlechte komme vom Staat und die Motorsäge bekäme das wieder in die reihe, und sie wählen die Motorsäge, obwohl das Nachbarland Chile unter Pinochet gezeigt hat, dass neoliberale Wirtschaft die Menschen in der Masse schlagartig ärmer macht. Teile und herrsche.

Die alten Feindbilder

In der Evolution des Neoliberalismus hat er eine Stufe von Effizienz und Perfektion erreicht, die es ihm erlaubt, durch ein Netzwerk an staaten- und grenzübergreifend wirkenden Netzwerken auf nahezu alle Länder und Gesellschaften massiven Einfluss zu nehmen. Und er hat etwas geschafft, was als nahezu überwunden galt: Die Reaktivierung alter Feindbilder. Die Neoliberalen sind bemüht, sich selbst, ihre Vereine, Netzwerke, Institutionen und vor allem Geldgeber aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Das setzt voraus, dass Ersatzfeinde ins Licht gerückt werden müssen. Bestens dafür geeignet – weil diese Feindbilder, diese Klischees noch in den Köpfen der Menschen sind – ist die sogenannte ‚Finanzelite‘ (beobachtbar bei X, dem neoliberalen, rechten Sprachrohr von Elon Musk) oder direkter ausgedrückt: das ‚Finanzjudentum‘, das ‚Weltfinanzjudentum‘, Menschen wie George Soros, die Bankiersfamilie Rothschild usw., mit diesen Klischees jongliert der Neoliberalismus und findet gut bereiteten Boden für diese demagogische Saat. Auch die Verbindung zum Kommunismus (oder auch Sozialismus, Linke, linksgrün versifft etc.) ist schon in diesem Zusammenhang gefallen, die ‚bolschewistische Weltverschwörung‘. Nichts eignet sich in den Augen des Neoliberalismus mehr zum Feindbild, denn dafür müssen sie nicht mal besonders viel tun, nur ein paar Worte, nur ein paar Bilder in den Ring werfen, in der Angst-Grube rühren. In Form von Fake News, in Form von simplen rhetorischen Fragen, Framing, Whataboutism, Büchern, Videos, Memes, Gifs, Interviews, Instagram, Tiktok, Facebook etc. Die Vervielfältigungsmaschinerie ist wie der Todesstern des Imperiums. Ein Planetenkiller. Eine Spaltmaschine für jede noch so kleine Gruppe, bis hinunter in die Familie. Genau aus diesem Grund funktioniert das Beenden des ewigen Auf und Ab von Demokratie und Neoliberalismus: Weil die Masse nicht mehr durch die Massen an Unwahrheiten, Klischees, Vorurteilen, Lügen, Fake News durchblickt und die bisherigen Hauptmedien die weiße Flagge gehisst haben. Das Durchleuchten, die Auf- und Erklärung neoliberaler Mechanismen wird nur noch von einigen Wenigen exerziert.

Nützliche Opportune und Endziel

Ein Herr Merz ist den Granden des neoliberalen Netzwerks völlig egal. Ob er ein Flugzeug hat, ein paar Millionen auf dem Konto, im Sauerland wohnt … unwichtig. Wichtig ist, dass er im Fahrwasser des Plans schwimmt. Er schert nicht aus und ist nicht intelligent genug, um sich als Spielball auf dem weiten Feld zu erkennen. Somit ist er nützlich. Ein Herr Linnemann ist unwichtig, aber nützlich. Ein Victor Orban, unwichtig, aber sehr nützlich. Die Neoliberalen wissen, dass der Klimawandel zur Klimakatastrophe führt und schon in vollem Gang ist. Es geht ihnen nicht darum, die Welt zu erhalten, denn dann müssten sie die Welt für alle erhalten, für die Solidargemeinschaft – was sie naturgemäß viel Geld kosten würde. Es geht ihnen darum, IHRE Welt zu erhalten. Und weil sie nur wenig sind im Vergleich zu acht, neun oder zehn Milliarden, gehen sie davon aus, ein neoliberales Refugium errichten und stabil halten zu können; was durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen ist. Sie gehen auch nicht davon aus, dass alle Menschen und der ganze Planet den Bach runtergehen, eher, dass genug Mensch und Material bleiben, um in einem Abhängigkeitsverhältnis (Master and Servant) Brot, Wasser und Schlaf zu geben und dafür die benötigten Ressourcen zu erhalten. Sie müssen gemäß ihrer Strategie den Tod von mehreren Milliarden in Kauf nehmen. Nur dann kann der Plan aufgehen. Ein anderes Motiv als ein Plan in dieser Form ist nicht zu erkennen, denn die Klimakatastrophe würde auch die neoliberale Welt ansonsten eliminieren. Wenige Master, viele Diener – ein altes, imperialistisches Ziel. Und dem Erreichen dieses Ziels werden sie bedenkenlos Menschen wie Merz, Linnemann, Spahn oder Orban opfern, dann, wenn sie nicht mehr nützlich sind.

Fazit

Allerdings sind die neoliberalen Schlauköpfe, Thinktanks, Netzwerke und Mitläufer keine Wunderknaben oder -mädchen. Auch sie denken zumeist eingleisig. Mit der zunehmenden Klimakatastrophe wird die Anzahl an unvorhersehbaren Wirrungen und Wendungen, die Entropie dieser Vorkommnisse derart unberechenbar, vielfältig und nicht zu überblicken, dass neoliberales Wirken und Würgen auch zu deren Untergang führen kann, sich die vernünftigen Menschen Ihrer entledigen oder die Natur das übernimmt. Dass der Neoliberalismus am Ende immer gegen sich selbst arbeitet, ist ihm bisher noch nicht in den Sinn gekommen und ich bezweifle, dass er jemals diese Erkenntnis haben wird. Der Grund für diese Betriebsblindheit liegt im dogmatischen Denken des Neoliberalismus. Er kann nun mal seine selbstüberhöhenden Positionen und Sichtweisen nicht verlassen, sonst wäre er nicht der, der er ist. Tragisch, aber in sich konsistent.

Euer Heiko

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert