Meine Damen und Herren vom Verfassungsschutz,
Sie sagen, dass Ende Gelände eine linksextremistische Organisation ist, deren Ziele darauf angelegt sind, staatsfeindlich zu sein … usw. usf. Nun habt Ihr eine Art Ermächtigung, um die ganze Werkzeugpalette an Überwachungsfunktionen auszureizen. In meinem Alter (60 ½), weiß man, was extremistische Organisationen bzw. Gruppierungen sind und hat deren Wirken miterlebt. Ziel ist es immer, den existierenden Staat inkl. Grundgesetz abzuschaffen. Was für Ziele hat Ende Gelände ganz offiziell:
– Sofortiger Kohleausstieg
– Transformation aller fossilen Industrien (sozialverträglich)
– Energiewende (basisdemokratisch, dezentral)
Wurden diese Ziele schon einmal in ähnlicher Weise formuliert?
In der Tat, etwa beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als Ergebnis des Paris-Abkommens 2015. Und welche Klimaziele hat sich Deutschland nach der Pariser Konferenz gesetzt? Die drei Hauptziele sind in Artikel 2 festgehalten:
– Beschränkung des Anstiegs der weltweiten Durchschnittstemperatur
– Senkung der Emissionen und Anpassung an den Klimawandel
– Lenkung von Finanzmitteln im Einklang mit den Klimaschutzzielen
Paris bedeutet auch, dass sich sehr viele Staaten diese Ziele gesetzt haben und ihren Bevölkerungen auch die Umsetzung versprachen. Paris bedeutet auch, dass schon jetzt vom menschengemachten Klimawandel Staaten betroffen sind und sozialer Friede angestrebt werden muss, sozialer Ausgleich, Abfederung der Lebenshärten (Inselstaaten im Pazifik, Bangladesch, Inuit-Gemeinden an Alaskas und Kanadas nördlichen Küsten).
Wir können also festhalten, dass die Ziele von Ende Gelände (und auch anderen Organisationen wie Letzte Generation) ausformulierte Ziele sind, mit einer schon enthaltenen Umsetzungsstrategie, die allgemeingültig von vielen Staaten ausgehandelt und umgesetzt werden soll(t)en. Und das nicht erst seit Paris 2015 (Kyoto liegt schon eine ganze Handlungsspanne zurück). Die Szenarien, warum es diese Ziele gibt, haben sich nicht geändert, im Gegenteil: Sie treten uns – vor allem dem ärmeren Teil der Menschheit – seit kurzer Zeit quantitativ und qualitativ mächtig in den Hintern.
Zwischenbemerkung: Ich schreibe das hier nicht, um Leugner des menschengemachten Klimawandels zu überzeugen. Diese Gruppe formuliert ein Ziel aus vielen unterschiedlichen Motivationen (Verlust von Kapital, Verlust von Wert, Verlust von Selbstwert, Dummheit, Geltungssucht, Unfähigkeit Fehler einzugestehen, Derealisation und nicht zuletzt: Machterhalt).
Also: Die Ziele von Ende Gelände und den vielen Klimaabkommen sind in Übereinstimmung. Als Umkehrschluss müsste der Verfassungsschutz die Klimaabkommen als verfassungsfeindlich bewerten, denn offensichtlich sind sie dazu geeignet, Menschen aller Couleur und Länder gegen etwas aufzubringen.
Was sagt das Grundgesetz? Da gibt es einen Artikel 20a:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Wir wissen, dass Gesetze einen Interpretationsraum umfassen müssen. Allerdings sind ‚natürliche Lebensgrundlagen‘ eines Staates (Menschen, Gebiet, Regierung) offensichtlich nicht interpretierbar, da es diesen Staat sonst nicht in der gewünschten Form geben kann. Wenn also die Klimaabkommen das Ziel haben, die Lebensgrundlagen für ALLE Menschen in jedem Staat zu erhalten (auch für Deutschland mit seinem gültigen Grundgesetz), dann handelt der Verfassungsschutz mit der Zuweisung der Etikette ‚linksextrem = staatsgefährdend‘ dem Grundgesetz zuwider und führt eine staatsgefährdende Einschätzung durch, denn wenn Ende Gelände als Teil eines zivilgesellschaftlichen Engagements die Chance genommen wird, diese im Grundgesetz garantierten Lebensgrundlagen zu erhalten (durch Aktionen), dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der menschengemachte Klimawandel uns dieser Lebensgrundlagen beraubt. Wir halten also fest, dass der Verfassungsschutz nicht im Sinne des Artikel 20a handelt.
Aber was ist seine Motivation? Woher kommt sie?
Oder anders gefragt: Wer könnte dabei verlieren, wenn es zur Umsetzung der von Ende Gelände, Letzte Generation und anderen (bspw. Klimakonferenzen) geforderten Zielen kommt? Da sind wir bei Bismarck. Also wer verliert und wie viel?
Schauen wir zur Maslowschen Bedürfnispyramide. Egal in welchem Zeitalter, ob gestern, heute oder morgen, wir wünschen uns weder Durst noch Hunger, brauchen ausreichend Schlaf und Ruhe, ein Dach über dem Kopf, dann ist schon mal viel gewonnen. Und wenn uns das jemand klauen will? Dann muss Sicherheit her, ganz klar. Sind wir in diesen Dingen gesättigt, können wir uns um andere und deren Sorgen kümmern. Bleibt dann noch Zeit, stehen wir vor dem Spiegel und fragen uns: Wer ist das? Wer bin ich? Das können wir entdecken durch viele Arten von Beschäftigungen, Hobbys, Kunst und Kultur. Aber je nach Persönlichkeit, schaffen manche es, noch einen draufzusetzen. Manch Individuum fühlt eine Art Mission in sich und folgt dem zwanghaften Pfad der Selbstverwirklichung, der nicht selten in alten Sprüchen endet, etwa am Trumpschen Credo ‚An meinem Wesen soll nur Ich genesen‘.
Es gibt sehr viele Ressourcen auf dem Planeten. Manche sind wenig behandelt viel wert (Metalle, Edelmetalle etwa), andere entstehen erst in einem Produktionsprozess. Die Möglichkeiten dieser Verfügbarkeit treffen auf Menschen, die nicht mit dem zufrieden sind, was sie haben oder nicht mit dem zufrieden sind, was sie sind. Um das zu verändern (mehr für sich und Befriedigung persönlicher Egoismen), braucht es Macht. Hat man sie, müssen Strukturen geschaffen werden, die eine Beteiligung aller an Verteilung und Besitz vermeidet. Unbedingt vermeidet. Bismarck konnte es nicht zulassen, dass Gewerkschaften parallele Machtstrukturen entwickeln bzw. in Form von Sozialversicherungen etablieren. Macht darf ihr Potenzial niemals aus der Hand geben, denn es bedeutet Verlust an Macht und Verlust an finanzieller Kraft, Verlust von Reichtum, Klasse und Stand. Bismarck war so clever – und die anderen so einfältig – Vereine zuzulassen, Sozialversicherung einzuführen – oder anders gesagt: Brot und Spiele, um des Machterhalts willen.
Die Klimakatstrophe ist dazu geeignet, uns ALLEN Macht, Einfluss, Reichtum, Lebensgrundlagen, das Atmen und das gute Leben zu nehmen. Ausnahmslos. Das führt zu kognitiven und emotionalen Aussetzern. Um zu verhindern was kommt, versucht man zunächst die Herolde, die als Überbringer schlechter Botschaften schon immer zum Schweigen gebracht wurden (Ende Gelände, Letzte Generation etc.), aus dem Weg zu räumen bzw. einzuschüchtern. Alle Mittel sind recht: Hass, Hetze, Diffamierung, Lügen, psychische und physische Drohungen, von bemitleidenswerten Vereinen wie EIKE pseudowissenschaftlich unterlegt. Wir erkennen die Angst der Macht vor dem Kommenden daran, wie viel Geld von Machtseite in dieses Netzwerk aus professionellen Leugnern fließt – und nicht wenige beteiligen sich auch aus Überzeugung oder persönlicher Unfähigkeit.
Die Motivation des Verfassungsschutzes, Ende Gelände als staatsfeindlich, als linksextrem zu etikettieren, ist also genau das: Ein Etikett muss drauf, um diese Menschen zu markieren. Sind sie markiert, sind sie zum Abschuss durch Hetze, Hass, Paranoia, Lügen und lügenschaffende Medien freigegeben. Das Etikettieren von Gruppen ist ein bewährtes Mittel, auf das auch Bismarck zurückgegriffen hat. Und wer NICHT etikettiert, ist aus dem großen Spiel um Macht und Verteilung raus (ein Grund, warum Parteien wie CDU/CSU, SPD, FDP oder AfD etikettieren). Diese Masche wird beherzt aufgegriffen von weiteren ‚Meinungsmachern‘, etwa ‚Tichys Einblick‘ oder AUF1, dem österreichischen Primus für Populismus und Falschinformation. Leider zieht sich ein großer Teil von Presse/Rundfunk/ÖRR zu weiten Teilen aus seriös recherchierten, fundiert aufgearbeiteten Reportagen zurück (den dpa-Header mit Strg+C/Strg+V ins Textfeld, fertig). Ein weiterer Stein im Etikettierungskonzept: Die anderen alle Drecksarbeit erledigen lassen. Bismarck hat die richtigen Brocken zur richtigen Zeit ausgestreut, und Unzählige haben das dankbar aufgenommen, pervertiert, ausgetreten, um Fake erweitert, wieder unters Volk geschleudert.
Dass sich Wissenschaftler bald entschuldigen müssen, wenn sie ihrer Profession nachgehen, dass sie physisch und psychisch angegangen und ‚alternative Wissenschaften‘ angeboten werden, dass ‚subjektive Empfindungen‘ über objektiven Fakten steht (1+1 = 11, nicht 2), erinnert an Galileis Erscheinen vor dem Papst. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Widerrufen, dann Kerker; ansonsten Tod. Die heutigen Nebelkerzen sind in Quantität und Qualität jedoch den inquisitorischen Vorwürfen um ein Vielfaches überlegen, denn die Beschallung und Berieselung durch Youtube-Expert:innen sind in der Masse überzeugender, weil einfacher. Nicht die vielen Semester theoretische und/oder experimentelle Physik, nicht Differentiale und Integrale, nicht Statistik und Analysis sind die entscheidenden Elemente von Wissenschaft, also dauerhaft sich selbst überprüfende Theorie und Empirie, nein: Ein Youtube-Video eines Experten, der genau gesehen hat, dass die Erde flach ist, macht den Punkt. Denn es ist so einfach. Man muss nur hinschauen, schon versteht man das. Nicht ich bin dumm, die anderen wollen nicht, dass ich erkenne. In der Maslowschen Pyramide die Spitze und gleichzeitig der Gipfel an Lächerlichkeit und Infantilismus.
Angst nur eine/r unter Vielen zu sein
Das Perfide ist jedoch, dass diese alles anzweifelnde, sehr leicht steuerbare, entzündliche Masse, von jenen dauerhaft angeheizt wird, denen Wert- und Machtverlust droht. Fossile Minenbetreiber, Konsortien die Kohlekraft, Öl- und Gaskraftwerke betreiben, Fonds die Milliarden in deren Aktien gesteckt haben, die Leben und Umwelt zerstörendes Fracking betreiben, Atomkraft-Lobbyisten, die nach 70 Jahren immer noch nicht erklären können, wohin Millionen Jahre strahlender Müll verstaut werden soll. Dazu gehören visionslose Politiker, kaum fähig, den Tellerrand der Untertasse zu sehen, geschweige denn einen wirtschaftlich, ökologisch UND ökonomisch sinnvollen Umbau hinzubekommen, bei dem niemand Arbeit verlieren muss, niemand arm wird, der Mehrwert für die Weltbevölkerung immens hoch ausfällt, denn: Alle haben sie Angst. Angst vor dem Machtverlust, Angst vor dem Statusverlust, Angst vor dem Profilverlust, Angst vor den Wählern, Angst vor dem Entzug von Parteispenden, Angst, Angst, Angst …
Fatalerweise steht ALLE Technik zur Verfügung, das Projekt Transformation recht schmerzfrei hinzubekommen. Die Konzerne hatten Zeit, den Umbau selbst in die Hand zu nehmen. Haben sie nicht, wegen Angst und/oder Dummheit (Manager sein schützt nicht vor kognitiver Dissonanz). Auf Wiedersehen, Konzerne! Der Untergang ist euch gewiss. In der Tat hatte Bismarck kaum Angst, denke ich. Er wusste sie zu nutzen. Heute ruft vielleicht jemand den Verfassungsschutz an und fragt, ob unbequeme Organisationen nicht staatsfeindlich sein könnten. Irgendwas muss sich da doch machen lassen. Und unbequemen NGOs, deren Gemeinwohl-Koeffizient nachweislich um Lichtjahre größer ist als der aller großen Parteien zusammengenommen, wird die Gemeinnützigkeit entzogen. Sie werden nicht verboten, aber das Arbeiten so schwer gemacht, dass manche aufgeben werden. Clever wie Bismarck.
Meine 50 ct zu der Einstufung von Ende Gelände als linksextremistische Organisation. Der Staat macht sich lächerlich.
Euer Heiko