Willkommen im Lyrik-Archiv der Jahre 2000 bis 2013. Hier ist die Übersicht aller Lyrischen Kurzprosa. Alle Texte sind hinter den jeweiligen Ausklappboxen abgelegt. Lasst gerne einen Kommentar da. Solange Hass und Häme draußen bleiben, sind sie mir willkommen. Traut Euch. Danke!
Goldener Oktober
Ich lausche
mein Sohn atmet
weint leise
raschelt ab und zu
Infusionsmaschine
pumpt stoisch
Kochsalz
im stillen Zimmer
Stich Kanüle
Blutnehmen röntgen
Seine Qual meine Qual
Froh bin ich
als Dunkelheit kommt
allein im Zimmer
So können wir endlich
gemeinsam weinen
zusammenwachsen
an uns kleben
Oktober 2000
Kontext
Gordischer Knoten
Einst war ich Sohn
Nun bin ich Vater
Einst wohnten
Hass und Liebe
in einem Haus
aber der Hass
ist ausgezogen
Vielleicht auf die
dunkle Seite des Mondes
Kein gordischer Knoten
der uns zusammenhielt
Nur eine Schleife
wie an einem Schuh
Und das Haus ist
auch nicht eingestürzt
als die Schleife aufging
Da merkte ich
es ist richtig so
Ohne Hass und
ohne Knoten
Oktober 2000
Kontext
Eleptischer Bub
Der Blick
Als hätte er alles
gesehen im Universum
Meist allein
Lächeln Lachen
Fehlanzeige
Krankenhaus Kinderstation
Jeden zweiten Abend
kommt die Mutter
redet und redet
übers schlechte Essen
Und geht
Der Bub schreit
eine ganze Stunde
Alle sind genervt
Ich frage was er hat
Eleptischer Bub
weiß ne andere Mutter
Epileptisch scheiße ich klug
Is ja auch egal
sagt sie
September 2001
Kontext
Tote Gesichter
Ehemals Stammkneipe
Lange nicht mehr
hier gewesen
Niemand da
den man kennt
Wohl alle tot
Die wenigen Gäste
glänzen im Licht
Schmuck Glitzer
schicke Klamotten
Man sieht gar nix
vom Menschen
Sie sind alle
schöner geworden
wichtiger
Vor der großen
Scheibe fährt ein
Leichenwagen vorbei
So ein Zufall
September 2001
Kontext
Gestern Heute Morgen
Ich erinnere mich weder
an die vielen Frühjahre hinter mir
noch weiß ich wie viele
Frühjahre vor mir liegen
Schaue ich zurück
ist es dunkel
schaue ich nach vorne
ist es ebenso dunkel
das Sekundenlicht
des Lebens über
meinem Kopf
mit meinem Jetzt und mir
auf dem Weg durch
die Schattenwelt
Einzig an die Herbste
habe ich Erinnerungen
denn es gibt nur den einen
auf den bewege ich mich zu
auf die Erinnerung
an den einzigen Herbst
Februar 2009
Kontext
Aus der Vergangenheit
Im geweihten Tränenbecken
In Kopf und Seele
hinter meinem Rücken
längst verdrängt tot ertränkt
Stimmen aus der Ferne
Stimmen aus dem Schatten
unter mir strecken Hände sich
herauf aus kaltem Grund
zerren ziehen stumm
an erinnerungsloser
verlebter Zeit
Ohne Freund
Ohne Feind
Sind das wir
Bin das ich
Februar 2009
Kontext
Der Poet
Der Poet der
die Zeit beherrscht
öffnet den Federhalter
Zeit friert ein
im Café vor oranger Wand
Der Poet der
die Zeit beherrscht
spürt Sonne auf dem Arm
nippt Kaffee
Der Poet der
die Zeit beherrscht
wandelt zwischen
der Menschen
starrer Mimik
taucht in Augen
Der Poet der
die Zeit beherrscht
schreibt dichtet
schließt den Federhalter
Zeit taut auf
Die Worte auf dem Papier
dieselben wie eh und je
November 2009
Kontext
Lichtfinsternis
In deinen Augen
Finsternis und Ferne
Welt ohne Horizont
Wald ohne Wurzeln
Wasser ohne Klarheit
Keine Ruhe
Finger blau vor Kälte
Zigarette haltend
Kaffeetasse auf
steingrauer Treppe
Eloquente Worte
aus sinnlichem Mund
Mit Bedacht Grund
Bist du vielleicht
ein Schwarzes Loch
in einer Galaxie
aus Licht
und Leben
Dezember 2009
Kontext
Schnipsel
Die Schere in meinem Kopf
zerschneidet Dunkelheit
behände in kleine Schnipsel
als wäre es ein Leichtes
wie etwa einen Theatervorhang zerfetzen
mit einem scharfen Messer
Und die Szene
die sich langsam auftut
zeigt die Blutrinne
durch die mein Leben zerfließt
bis ins Nirgendwo
Oktober 2010
Kontext
Grundlagen
Schmerz ist nicht Sturm
Schmerz ist klare Luft
mit jedem Einatmen in uns
mit jedem Ausatmen um uns
Schmerz ist Blut
seit Anbeginn ein Teil von uns
Schmerz ist tief und mächtig
oder leicht und fröhlich
Wer Schmerz spürt
sieht ihn bei anderen
Wer ihn nicht kennt
wird Angst verbreiten
flach und farblos sein
fleischlos
sinnlos
Oktober 2010
Kontext
Das andere Herz
Das Herz
das sich verachtet
schlägt in dir schläft niemals
drückt Verachtung durch deine Adern
die Venen bringen sie zurück
zum Herz
das sich verachtet
So ernährt es sich selbst
das Herz
das sich nicht liebt
und doch lieben will
das sich nicht begehrt
und doch begehren will
In einem Netz aus Tränen
hängt es da und pumpt
einsam unter vielen
ohne Liebe vor sich hin
weil es nicht anders kann
das Herz
das sich verachtet
Juni 2012
Kontext
Schatten
Wenn ich dereinst darnieder liege
meine Lunge sich das vorletzte Mal
hebt und senkt dann wird
der Schatten von mir abfallen
Er wird sein was ich war
langes Lachen und viele Tränen
Abgrund ohne Boden
Halt für die anderen
Ich war Leid und Schmerz
Glück und Melancholie in einem
Ich war Vater aber nie Freund
Oder umgekehrt
Ich war ewiger Träumer
Ich war ich aber kaum ich selbst
Nun kommt die Nacht
und mein Schatten wird sich
von der Welt lösen
Oktober 2012
Kontext
Dunkelheit
Es saugt an mir
umschließt meine Ruine
wie das Moor den Unglücklichen
Hinabgezogen in ewige Dunkelheit
Hinter unsterblicher Erinnerung
Zu schwach um die Hand zu heben
Zu stumm für letzte Worte
Zu feige für Tränen
Was war ich doch
für ein Tor zu meinen
all das läge weit weg
Tief genug
in mir
Februar 2013
Kontext
Jenseits des Schweigens
Mund sucht Worte
Gedanken sind ohne Tür
Herz schlägt auf der Suche
nach altem Leben
Finger liegen auf dem Tisch
Beine stehen nicht mehr
warten auf die letzte Hand
den letzten Gruß
das letzte Vergessen
Juli 2013
Kontext
Was vom Lichte übrig ist
Ob ich meine Augen
geschlossen halte
oder sie offen und sehend
durch das Leben trage
bleibt sich gleich
Ich sehe nicht den
der ich einmal war
weder im Traum
noch hier unter euch
denn da war niemals jemand
nie jemand Ganzes
nur ein Viertel vielleicht
oder noch weniger
etwas Unfertiges
aber er musste wie ein Ganzer
lachen, geben, nehmen,
atmen und hoffen
leuchten
für die Worte
vor euch
August 2013
Kontext
Grenze
Das Universum
endet gleich hier
hinter dieser Scheibe
dort vor der Hauswand
Ich kann nicht hinaustreten
ohne die Schwärze
zu atmen
ohne der Kälte
zu begegnen
Das spärliche Licht
hier drin
klebt an den Wänden
klebt an mir
sinnlos
wie eine Brise
im Sturm
sinnlos
wie eine Lampe
im All
Oktober 2013
Kontext
Die Säulen
Mein kühler Kopf
meine kalten Gedanken dort oben
unter ewigem Himmel ruhend
auf den gläsernen Säulen
meines Herzens
wie weggewischt
meine Existenz
verweht
hinüber zu den Fanfaren
und Gräbern
eingebrannter Worte
Starre Finger
kratzen am Staub
und finden
Leere
Oktober 2013
Kontext
Auditorium
Wem soll ich Worte senden
dir oder etwa ihm
da ist niemand nur
blinde Augen taube Ohren
kalte Herzen
Antworten wie Rinnsale
im Ozean
Da nehme ich meine Worte
klebe sie an Parkbänke Autos
wie lästige Strafzettel
werfe sie aus dem Fenster
oder vor deine Füße
Worte auf Papier
schwarz auf weiß
achtlos gelesen
wie Weihnachtskarten
November 2013
Kontext
Treibsand
Bin ich im Treibsand
oder bin ich selbst Treibsand
für all die anderen
die in meinen Worten versinken
in meinen Gedanken ertrinken
in meiner Kälte erfrieren
Bin ich unter Blutegeln
oder bin ich selbst der Egel
am Blut der anderen trinkend
Seelen essend Hoffnung ersetzend
Bin ich also der
der das schwarz Tuch
über die Sonnen legt
eine Fackel ins Heu wirft
der Spinne die Beine zupft
Ich treibe
Aber wohin
November 2013
Kontext
Mein Platz
Weg war ich immer
kam jedoch nie an
anwesend an keinem Tag
Mein Platz ist ewig kalt
Statisten um mich
die meinen Schatten grüßen
oder ihn ächten
Ewiges Winken
aus dem Zug
der niemals hält
Und kaum dass ich
einen Blick auf das
zerbrechliche Glück werfe
bin ich ein Schatten
November 2013
Kontext
Alberich
Zwischen Menschen
inmitten von Gesten und Worten
inmitten von Neid und Hass
Abneigung und Verachtung
zwischen Unkenntnis und Einfältigkeit
sitze ich mit Alberichs Mütze
auf meinem Kopf
und überlege
ob ich sie noch mal
absetzen soll
November 2013
Kontext