Schwarz und weiß

Der erste Schnee ist gefallen. Und das nicht zu wenig. Knappe dreißig Zentimeter. In den höher gelegenen Stadtteilen kommen sie auf fünfzig. Die Maihälden sind gefährlich. Meine Sicherheitsschuhe habe ich daheim gelassen, stattdessen die Springerstiefel angezogen. Meist muss ich auf der Straße durch das Weiß stapfen, weil die Bürgersteige nicht geräumt sind oder ich sonst die Karre dauernd über Schneehügel wuchten muss. Also die Königsklasse der Bundespost kann mich mal kräftig. Aber die geschlossene Schneedecke in den Gärten macht noch etwas anderes mit mir. Ich bin dauergeblendet. Länger als eine halbe Minute kann ich nicht nach vorne schauen. Dann bleibe ich stehen, verdecke die Augen oder starre in den Himmel. Oben blau und angenehm; unten grell. Ein schmerzendes Weiß. Davon bekomme ich nach kurzer Zeit Kopfschmerzen und bin froh, die am höchsten gelegene Adresse zu erreichen, das Altenheim. Drinnen ist es angenehm. An der Empfangstheke lege ich die Briefe auf den Tisch, kontrolliere die Einschreiben. Aus dem Hinterzimmer kommt eine ältere Dame.
»Guten Morgen, eine Menge Post heute und sieben Einschreiben. Bitte …« Ich lege das Zustellbuch vor mich.
»Soll ich jedes quittieren? Oder einmal quer rüber.«
»Bitte jedes. Letztens hat das ‚quer rüber‘ nicht gereicht und es gab Ärger. Also lieber jedes. Sind ja nur sieben.« Sie seufzt und unterschreibt mit großer Signatur. Sieben Mal. Es sieht aus wie ein Wimmelbild. »Danke«, sage ich.
»Immer. Nehmen Sie auch Post mit? So als Ausnahme?«
»Wenn es in den Wagen passt, geht das schon. Es sollte halt keine Dauereinrichtung werden.«
»Nee, keine Angst. Der Hausmeister macht das normal, aber der ist krank. Geht nur um das Päckchen hier.« Aus der Schublade unter der Theke holt sie ein mit altem Packpapier umwickeltes Etwas von der Größe eines Buches, ausgeleierte Sisalschnur drumherum.
»Ist das ein Buch?«
»Eine Bibel. Eine unserer Klientinnen schickt sie ihrer Enkelin. Ein Weihnachtsgeschenk.«
»Kann ich mitnehmen, aber es wird den Transport nicht überstehen, das kann ich Ihnen versichern. So wie das eingepackt ist, kommt es grad bis Karlsruhe. Das war’s dann.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Wo geht es hin?«
»Bochum.«
»4630, das wird ausgeschüttet auf eine Maschine, die mit Haken allen Inhalt auf ein Förderband bringt, dort greift jemand danach und dann fliegt es mit Schwung drei Meter in ein Sackgestell, Metallrahmen, prallt ab, fällt in den 46er-Sack, wo es zwischen anderen Kanten liegen bleibt, dann wird der Sack ausgebunden, mit Schwung in einen Wagen gepfeffert, heute Abend nach Karlsruhe gefahren, umsortiert, wieder gepfeffert, in Dortmund vorsortiert, in Bochum ausgekippt, auf ein Metallband, vielleicht bleibt es mit der Schnur hängen, das war’s dann mit den Worten des Herrn.«
»Oh je! Und jetzt?«
»Haben Sie keinen Karton?«
»Nur große.«
»Ich bringe Ihnen morgen den kleinsten der gelben Postkartons plus Paketkarte. Schicken Sie es als Paket. Dann ist es gleich versichert. Päckchen sind nicht versichert. Und der Karton ist stabiler.«
»Das würden Sie tun?«
»Klar. Gehört zum Service.«
Sie lächelt breit. »Sie sind ein Schatz.«
Ich nicke, hebe die Hand. »Also, bis morgen.«


Die Sonne hat mich wieder. Morgen muss ich unbedingt eine Sonnenbrille mitnehmen, sonst werde ich schneeblind. Jetzt geht es wieder nach unten, um den Rest der Kelterstraße, Hügelstraße und was es da noch an Straßen gibt, hinter mich zu bringen. Ich denke an Silvia. Bis jetzt wurde keine der Bewerbungen beantwortet. Ertappe ich mich gerade dabei, das als positiv zu sehen? Für mich? Ja … nein, das kann es nicht sein. Es ist ihr Leben. Ihr kurzes Leben. So voller Grausamkeiten. Ich wünsche, dass sie den besten Job der Welt bekommt, unabhängig ist, frei, einen kleinen Hafen findet für sich und das leckgeschlagene Boot … dann rutsche ich aus, falle nicht auf den Hintern, lande in einem Schneehaufen. Glück gehabt. Als ich mich aufrichte, sehe ich den gelben Wagen mit zunehmender Geschwindigkeit den schmalen Weg hinabrollen, hinabrutschen. Links und rechts sind die Schneehaufen, wie eine Bande beim Billard bringen sie ihn wieder auf die Bahn, wenn er dagegen stößt. Nichts hält ihn. Alle paar Meter rutschen Briefe oder Zeitungen aus den Taschen. Zweihundert Meter sind es bis unten und er schafft das problemlos. Erst ein Schneehaufen auf dem Bürgersteig der Kelterstraße bringt ihn zum Stehen. Ich rapple mich auf. Kopfschüttelnd. Eine Zigarette wird helfen. Hoffentlich hat niemand zugesehen. Im nicht geräumten Schnee laufend, trotte ich bergab, sammle die Post ein, aber es wird zu viel, also lege ich die Jacke auf den Boden, das Eingesammelte drauf und mache weiter. Vor dem Wagen steht ein Mann mit Pudel, den er eingepackt hat in einen Strickpullover, warme Lederschühchen an. Er stülpt die Lippen vor und hebt einen Brief auf, schaut auf die Adresse.
»Entschuldigung! Das ist Eigentum der Post! Bitte liegenlassen!«
Der Pudel sieht mich und versteckt sich hinter dem Herrchen und das dreht den Kopf. Achtlos wirft er den Brief in den Schnee. Mit einem enormen Stapel auf den Armen, erreiche ich ihn und hätte mir gewünscht, er würde den Wagen aufrichten, aber weit gefehlt.
»Glatt, was?«
»Kann man sagen.«
»Haben Sie keine richtigen Schuhe?« Er schaut nach unten. »Armeestiefel? Kaufen Sie sich Spikes. Kann sich der Staat das nicht leisten für seine Bediensteten?«
»Ich hab ihn nicht gefragt. Hat auch nicht jeder so einen Bezirk wie ich.«
»Tja, viel Spaß beim Aufsammeln. Komm, Roland. Wir gehen.« Roland hat ziemlich Angst vor mir. Nur zwischen den Beinen seines Herrchens traut er sich an mir vorbei. Das Gute an der Kälte ist, dass der Schnee nicht taut. Keiner der großen und kleinen Briefe hat Wasserflecken. Und die Wertbriefe trage ich immer in der Umhängetasche und die ist verschlossen. Nichts passiert. Silvia hätte bestimmt gelacht.


Hügelstraße, nur noch einen Postscheck überreichen. Wieder Jugendstil oder Gründerzeit, dunkle Holztüren, zwanzig Mal mit braunem Lack überstrichen, so viel Farbe, dass sie im Rahmen klemmt. Irgendwann war mal grün dabei, hellbraun und weiß. Auf die Idee, die alte Farbe abzubeizen, ist bisher niemand gekommen. Immerhin haben die Häuser die Bombenteppiche überstanden. Ich muss in den zweiten Stock. Lachen, Schreie, Gekreische, mit jeder Stufe wird es lauter. Drei Wohnungen. Das Treppenhaus ist schön, Marmorboden aus diversen Farben und Linien, kunstvoll verlegt. Der Lärm kommt ausgerechnet aus der Wohnung, die ich als Ziel habe. Vor der Tür fülle ich alles aus und klingle. Eine sehr leise Klingel. Bei dem Lärm da drin sicher nicht zu hören. Also hämmere ich gegen die Tür und rufe: »Post! Bitte aufmachen!«
Es wird still. Was geht da drin vor? Vorsichtig beuge ich den Kopf zur Tür, drehe das Ohr zum Glas. Sie geht auf und da steht aufgerichtet auf beiden Hinterläufen ein Schäferhund, eine Vorderpfote an der Tür, eine am Rahmen. Er steckt den Kopf raus und ist unmittelbar vor meiner Nase mit seinem Kiefer. Unsere Blicke treffen sich. Unter ihm ist ein kleines Kind, die Hand an der Klinke.
»Tu den Hund weg«, sage ich.
»Warum?«
»Sonst gibt es kein Geld.«
»Mama! Hier ist einer mit Geld!«
»Schick ihn weg! Der will nur was verkaufen!«
»Sie sollen weg«, sagt der Kleine. Ich lasse den Hund nicht aus den Augen.
»Sag deiner Mutter, ich bin der Briefträger und habe einen Scheck für euch.«
»Mama! Der ist so ein Träger und hat irgendwas!«
»Verdammte Scheiße!«, kommt es von irgendwo. Schritte nähern sich, lautes Atmen. Ich sehe nichts, aber die Tür wird aufgerissen, der Kleine purzelt über den Boden. Mir gegenüber steht eine sehr schwere Frau in Kleidern, die kaum als solche zu bezeichnen sind. Sie ist zwei Köpfe kleiner als ich. Auf dem Arm ein Kleinkind, im Schlepptau zwei weitere, in Abständen von einigen Zentimetern größer als der Kleine, der auf dem Boden liegt und in der Nase bohrt. Die Frau gibt dem Schäferhund einen Tritt in die Seite, woraufhin der jaulend in ein Zimmer flüchtet.
»Kommse rein.«
»Ich habe einen Postscheck zur Verrechnung. Kindergeld. Sie müssen nur unterschreiben.«
»An der Tür unterschreib ich nix.«
Seufzend betrete ich die Wohnung. Vorher hätte ich noch eine Lunge voll frischer Atemluft zu mir nehmen sollen. Links geht es in etwas, das eine Küche sein könnte. Vier Stühle, auf jedem liegt eine Menge Unrat. Einen kippt sie, das Zeug fliegt auf den Boden. Das Kleinkind setzt sie auf den Boden. Es fällt nach hinten und starrt an die Decke. Der Kleine kommt, stellt sich vor mich. Der Finger ist immer noch in der Nase. In seinen Haaren entdecke ich eine Menge Dreck. Als hätte jemand Nutella darauf verteilt und trocknen lassen.
»Na, Kleiner? Wie ist die Lage?«
»Wo ist der Scheck?« Sie hat einen zweiten Stuhl frei gemacht. Zwischen uns ist der Tisch, aber von der Tischplatte ist nichts zu sehen. Ich versuche, eine passende Fläche für mein Büchlein zu finden.
»Sind Sie Frau Kammerer?«
»Klar! Oder sehen Sie hier noch jemand?«
»Haben Sie so was wie einen Ausweis?«
»Gottverdammich!« Sie steht auf, kramt im Einbauschrank nach einer Tasche, aus der ein Pass auf den Boden fällt. Der Kleine hebt ihn auf und gibt ihn mir.
»Danke, Kleiner.« Die Frau auf dem Passfoto ist jemand völlig anderes. Na gut, vielleicht die Augen sind ähnlich. Was tut ein Briefträger, der sich nicht davon überzeugen kann, ob die Empfängerperson auch wirklich identisch ist mit der angetroffenen Person? Dazu steht sicher was in den Dienstvorschriften. »Haben Sie noch den Durchschlag vom letzten Scheck?«
»Wollen Sie mich verarschen?«
»Nein, aber wenn ich nicht davon überzeugt bin, dass Sie es sind und den Scheck aushändige, bekomme ich Ärger. Und Sie wollen doch nicht, dass ich Ärger bekomme, oder?«
»Is mir scheißegal.«
»Bitte, schauen Sie mal nach.« Sie kramt wieder in der Tasche, dann bekommt sie einen Schreianfall, kippt einfach alles auf den Müllberg vor mir und setzt sich. »Ich suche selbst. Beruhigen Sie sich.« Mit den Fingerspitzen durchsuche ich den kleinen Hügel. Seltsamerweise entdecke ich Kondome. Immerhin unbenutzt. Dann ein Umschlag. Und darin eine Menge der Durchschläge. Postschecks für Kindergeld und Arbeitslosenhilfe.
»Haben Sie kein Konto?«
»Sehe ich aus, als würde ich ein Konto bekommen?«
»Schon gut. Bitte unterschreiben Sie, dann bin ich wieder weg.« Die Suche nach einem Kugelschreiber geht los. Ich gebe ihr meinen Ersatz. Damit krakelt sie irgendwas aufs Papier. Das hätte ich auch selbst gekonnt. »Danke. Behalten Sie den Kugelschreiber, ein Geschenk Ihrer Bundespost.« Ein leerer Blick trifft mich. Die beiden anderen Kinder tauchen im Türrahmen auf, den Hund zwischen sich. Das Kleinkind auf dem Boden steckt etwas in den Mund, das wie ein Kronkorken aussieht. Ich bücke mich und nehme es an mich. Mit einem Schrei hätte ich gerechnet, aber es sieht mich bloß an.
»Hören Sie, darf ich einen Vorschlag machen?«
»Was?«
»Als Briefträger kenne ich den Pfarrer von hier. Ich kann ihn bitten, mal vorbeizukommen. Vielleicht kennt er jemand, der auf die Kinder aufpasst, ein bisschen mit ihnen spielt oder mit dem Hund rausgeht. Wär das was?«
»Ich kann aber nix zahlen.«
»Ich wette, das macht er umsonst.« Sie nickt. Der Kleine holt aus der Nase einen monströsen Popel und steckt ihn in den Mund. »Kann sein, dass es heute oder morgen klingelt. Dann halten Sie den Hund fest.« Sie nickt. Seufzend stehe ich auf. Am liebsten würde ich die Kinder mitnehmen, aber es reicht nur für mich. Im Treppenhaus gehe ich bis zur ersten Stufe, dann muss ich weinen und weiß gar nicht, warum eigentlich.


Wir sitzen im Lokal eines Spanischen Kulturvereins mitten in der Fußgängerzone. Schlichte Einrichtung, astreine Küche. Einfach, aber exzellent. Es ist voll, laut, der Tisch gehört nur uns, der letzte in der Reihe, direkt unterm Fernseher, auf dem die spanische Erste Liga übertragen wird. Silvia und ich müssen nicht reden, nur uns ansehen. So viel geredet mit so wenig Worten. Augen und Blicke. Die Augenblicke mit ihr sind wie warmer Küstenwind auf feinem Strand. Jemand bringt uns Rioja, zwei Gläser, Wasser und Fladenbrot in Streifen geschnitten. Es ist noch warm und duftet frisch, dazu einen Teller mit halbierten Zitronenscheiben. Sie formt einen Kussmund. Diese vollen Lippen bringen mich um den Verstand. Ich will nach den Bewerbungen fragen, aber habe Angst vor jedweder Antwort. Andererseits, was hindert mich daran, einfach mitzugehen? Arbeiten kann ich überall. Und vor dem Erlernen von Spanisch oder Schwedisch habe ich keine Angst. Im Englischen käme ich gut durch und bei Französisch genügt es zumindest für das einfache Leben. Unsere Scampi kommen. In Knoblauchbutter geröstet. Zwischen uns ein Schälchen mit schwarzen Oliven und gegrilltem grünen Paprika, dessen Haut große Blasen wirft. Ich streue grobes Salz drüber und probiere die erste. Heiß, aber mit dem Salz eine Köstlichkeit. Leicht süßlich. Ich bin noch nicht drauf gekommen, warum Küche so kompliziert gemacht wird in Film, Funk, Fernsehen und Magazinen, wenn das hier so einfach und wunderbar ist.

Silvia nimmt eine Scampi, dreht ihr den Kopf ab und steckt den Rest, samt Chitinpanzer, in den Mund, dazu ein Stück Fladenbrot. Ich staune, denn ich esse die kleinen Dinger ebenso, probiere eine, noch eine Paprika. Wir lächeln uns an, dann schaut sie über meine Schulter und zieht eine Augenbraue hoch. Drei junge Männer tauchen am Tisch auf. Eine schwarze Lederjacke, Jeansjacke und noch ein Pullover mit Loch auf der Schulter.
»Alter! Ich hab gesagt, es ist voll!« Keine Ahnung, wer das gesagt hat, aber Leder- und Jeansjacke holen von drei Tischen die letzten freien Stühle.
»Ist Platz hier bei euch beiden, oder?«, sagt das Leder. Wir schweigen und rücken an die Heizung. Der Pullover packt zwei schwarze Behältnisse aus, groß wie Fülleretuis, öffnet eines und drin ist eine Art Spritze, dazu etwas, das aussieht wie eine Stoppuhr und kleine Streifen in einer Plastikbox. Auf den ersten Blick hätte ich Lackmus gesagt.
»Mu-muss erst testen«, sagt der Pullover, hält sich den schwarzen Stift an die Fingerkuppe und drückt auf einen Auslöser. Es klackt. Einen dieser Streifen steckt er in die Uhr und tupft damit das Blut an der Spitze ab. Es piept durchdringend. Er stottert und hat Zucker. »Mu-muss spritzen, sonst ka-kann ich nich so-so viel essen.«
»Ach! Stell dich nicht so an!«, brüllt das Leder und die Jeansjacke greift nach dem anderen Etui. Drin ist ein längerer Stift mit einer dünnen Nadel auf der einen Seite. Die Insulinspritze.
»Gi-gib her!« Silvia beobachtet alle drei unentwegt, dreht einer Scampi den Kopf ab und steckt den Rest in den Mund. »Gi-Gib her! Ich will mi-mich spritzen!« Die Jeansjacke drückt dem Pullover die Insulin-Spritze in den Oberarm.
»Aua! A-A-Arschloch!« Die Jeansjacke lässt von ihm ab und schaut zu Silvia, die der nächsten Scampi den Kopf abdreht und isst.
»Boah! Ist ja ekelhaft! Mit dem Schwanz und so in den Mund. Bäh!« Der Pullover legt den Teststreifen mit dem Blut in den Aschenbecher, tupft mit einem Tempo das restlich Blut vom Finger und wirft es ebenfalls dort hinein.
»Ja, e-ekelhaft!«, sagt der Pullover. Silvia putzt die Finger an der Serviette und zieht das Schäfermesser aus der Tasche. Es klackt bevor ich etwas sagen kann. Die drei weichen ein paar Zentimeter zurück.
»Soll ich euch mal sagen, was ekelhaft ist?« Der Pullover nickt. Ich drehe einer Scampi den Kopf ab und esse sie. Silvia hebt das Messer an ihren Hals. »Wenn man einem korsischen Ziegenbock den Hals durchschneidet, etwa so …« Die Bewegung an ihrem Hals ist eindeutig. »Dann pumpt das Herz alles Blut raus.« Sie beugt sich noch ein Stück vor, die Drei weichen so weit als möglich zurück. Silvias Blick, von unten nach oben. »Es ist heiß. Die Sonne scheint auf das Blut und trocknet es, aber es fängt an zu stinken. Es riecht ganz schnell wie eine Mischung aus Kotze und Scheiße. Aber die Würmer und Käfer kommen gleich und machen sich drüber her. Dann müsst ihr den Kopf schnell abtrennen.« Mit einem Ruck schiebt sie das Messer ein Stück Richtung Leder und zieht es zurück. »Die richtige Stelle am Wirbel finden und knack! Die Lunge muss schnell raus! Also nix wie aufschneiden, ausweiden.« Sie blickt auf die Klinge, dann auf die Jungs. Die Jeansjacke steht auf.
»Wir gehen!«
»Ja, wir gehen lieber. Sind mir zu viel Irre hier«, sagt die Lederjacke. Im Nu hat der Pullover alles eingepackt. Dann sind sie weg. Ich breche einer Scampi den Kopf ab und stecke sie in den Mund. Einfach köstlich.